Die Pandemie – Ein Katalysator ungesunder Ernährung?

Covid-19 Pandemie führt zu einen signifikanten Einfluss des gesellschaftlichen Ernährungsverhalten

Vechta, 18.12.2020: Eine von der Opens external link in new windowLI Food – Landesinitiative Ernährungswirtschaft Niedersachsen beauftragte und von Dr. Adriano Profeta, Leiter Konsumentenforschung am DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V. durchgeführte Studie zeigt, dass die Covid-19-Pandemie einen signifikanten Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Verbraucher*innen ausübt. So werden v.a. insgesamt mehr Lebensmittel gegessen und mehr Convenience-Produkte, wie Fertiggerichte und Konserven mit längerer Haltbarkeit, gekauft. Auch der Konsum von Alkohol und Süßwaren hat eine Steigerung erfahren. Im Gegenzug ist zu beobachten, dass der Verzehr von frischem Obst und Gemüse zurückgegangen ist.

Deutschlandweite Studie zu Einfluss der Covid-19-Pandemie auf das Verbraucherverhalten bei Lebensmitteln

Die anhaltende Covid-19-Pandemie sorgt weltweit dafür, dass viele Menschen in ihrem Alltag von Einschränkungen betroffen sind. Hervorzuheben ist hierbei, dass die Pandemie auch das Essverhalten und die Einkaufsgewohnheiten der Konsumierenden beeinflusst hat. Viele Verbraucher*innen machten sich aufgrund einer möglichen Quarantänephase wegen der Covid-19-Pandemie Gedanken darüber, welche Lebensmittel, welche Mengen davon und für welchen Zeitraum bevorratet werden sollten.

Gemeinsam mit dem DIL hat die LI Food in diesem Zusammenhang eine repräsentative Onlinebefragung mit 973 Teilnehmer*innen im April 2020 durchgeführt. Es wurde dabei konkret untersucht, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf den Lebensmittelkonsum, das Einkaufsverhalten und die Essgewohnheiten in Deutschland hat bzw. hatte. So wurde bspw. der Frage nachgegangen, ob mehr gesunde oder ungesunde Lebensmittel konsumiert wurden. Im Fokus standen vor allem Haushalte mit Kindern sowie Haushalte, die aufgrund des Lockdowns von Einkommenseinbußen betroffen waren. Generell stellt sich die Frage, inwieweit die Pandemie Ernährungstrends oder generelle Unterschiede im Lebensmittelkonsum zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen forciert hat.

Mehrkonsum an Lebensmitteln – Familien mit Einkommensverlusten am stärksten betroffen

Im Rahmen der Studie wurden die Teilnehmer*innen direkt gefragt, wie stark sich das Ernährungsverhalten ihres Haushalts während der Covid-19-Pandemie im Vergleich zu vorher verändert hat. Ein zentraler Aspekt hierbei war, ob in diesem Zusammenhang mehr Lebensmittel während der Pandemie gegessen werden. Über die gesamte Stichprobe gaben 20,5 Prozent, d.h., rund ein Fünftel der Befragten an, dass in ihrem Haushalt „mehr Lebensmittel“ konsumiert wurden. Bei der Analyse des Mehrkonsums im Kontext verschiedener Haushaltssegmente wird deutlich, dass diesbezüglich eine hohe Heterogenität in der Bevölkerung besteht. In Haushalten ohne Kinder und Einkommensverlusten war die Zunahme im Vergleich zum Durchschnitt unterproportional. Dem gegenüber ist hervorzuheben, dass es v. a. in Haushalten mit Kindern und/oder Einkommensverlusten bedingt durch die Pandemie zu einer erhöhten kalorischen Zufuhr kam. Werden hierbei nochmals gesondert die Haushalte mit Kleinkindern (<12 Jahre) betrachtet, in denen es Einkommenseinbußen gab, so steigt die Zahl auf 44,4 Prozent.

Abb.1: Anteil der Haushalte mit einem Mehrkonsum an Lebensmitteln insgesamt in verschiedenen Haushaltssegmenten (Topscores „viel mehr“ und „etwas mehr“)

In der Verzehrshäufigkeit von Obst/Gemüse, Fisch und Fleisch gab es während der Covid-19-Pandemie signifikante Rückgänge. Hingegen gab es deutliche Zunahmen in den Kategorien Konserven, Fertiggerichte, Kekse/Gebäck, Süßwaren und Alkohol. Somit kann konstatiert werden, dass in der Tendenz Frischeprodukte zum Teil durch stärker prozessierte und länger haltbare (Convenience-)Produkte bzw. teils ungesunde Lebensmittel und Genusswaren substituiert oder letztere vermehrt add-on konsumiert wurden.

Werden auch hier wieder die verschiedenen Haushaltssegmente betrachtet, sind große Gruppenunterschiede zu erkennen. Während bei allen Befragten der Alkoholkonsum um 13,4 Prozent anstieg, waren es in der Personengruppe ohne Kinder und ohne Einkommenseinbußen nur 11,5 Prozent. Dem gegenüber nahm in 21,2 Prozent der Haushalte mit Kindern und mit Einkommenseinbußen der Alkoholkonsum zu.

Für die Produktgruppe Obst und Gemüse lässt sich feststellen, dass für Haushalte mit Kindern und ohne Einkommensverlust nur 10,8 Prozent angaben, weniger Produkte dieser Kategorie zu konsumieren. In der Gesamtbetrachtung lässt sich sogar feststellen, dass der Konsum von Obst und Gemüse in diesem Segment während der Pandemie sogar im Mittel angestiegen ist. Den Gegenpol bilden die Haushalte mit Kindern und Einkommenseinbußen mit 17,7 Prozent. Bei ausschließlicher Betrachtung der Haushalte mit Kleinkindern ist festzustellen, dass bei fast jedem fünften Haushalt (19,4 Prozent) in diesem Segment der Konsum dieser gesunden Lebensmittel zurückgegangen ist.

Umgekehrt verhält es sich für Fertiggerichte. In Haushalten mit Kindern ohne Einkommenseinbußen gaben nur rund 16,6 Prozent einen Mehrkonsum von Fertiggerichten an. Dem gegenüber ist eine Zunahme bei 28,3 Prozent der Haushalte mit Kindern und Einkommensverlusten zu verzeichnen. Ein analoges Bild zeigt sich für Tiefkühlware. In der Produktkategorie Fleisch ist auffällig, dass v.a. in Haushalten mit Kindern und einem Einkommensverlust der Fleischkonsum überproportional (29,4 Prozent) zurückgegangen ist. In Haushalten mit Kindern ohne Einkommensverlust lag dieser Wert bei nur 17,8 Prozent.

Insgesamt sind erkennbare Veränderungen im Ernährungsverhalten in den verschiedenen Haushaltstypen unterschiedlich stark aufgetreten. Die Verzehrsteigerung von Lebensmitteln war insgesamt bei Vorhandensein von Kindern sowie Corona-bedingten Einkommenseinbußen weitaus stärker ausgeprägt als bspw. in Haushalten ohne Einkommensverlust. Auffällig hierbei: In den von Budgeteinschränkungen betroffenen Haushalten führt, allein der Faktor „Kind“ dazu, dass sich der Ernährungsstil im Haushalt verschlechtert. Dies bedeutet eine weit über dem Durchschnitt liegende Zunahme bei der Kalorienaufnahme und eine weitaus stärker ausgeprägte Verhaltensänderung hin zu einem Mehrkonsum der tendenziell eher ungesunden Produktgruppen. Besorgniserregend ist in diesem Kontext, dass der Alkoholkonsum am stärksten genau in diesen Haushalten zugenommen hat.

Es wird deutlich, dass v.a. Familien, die finanziell von der Pandemie betroffen sind, eine vulnerable Gruppe darstellen. Mit zunehmender Dauer der Pandemie, wiederholten Lockdowns, Corona-bedingten Schließungen von Schulen und Kindergärten, sind mittel- bis langfristig gesundheitliche Folgen, insbesondere für diese Bevölkerungsgruppe, zu erwarten. Der aktuelle Lockdown könnte das modifizierte Einkaufsverhalten verstärken und langfristig zu einer Veränderung der Essgewohnheiten führen.

Weitergehende Informationen zur Studie finden Sie unter:

www.researchgate.net/publication/346570959_Der_Einfluss_der_Corona-Pandemie_auf_den_Lebensmittelkonsum_der_Verbraucher_-Vulnerabilitat_der_Haushalte_mit_Kindern_und_Einkommensverlusten