CORNET AiF 129 EBG

Innovative Algenprozessierung für Nutraceuticals in Lebensmitteln und Futtermitteln (iAlgaePro)

Ausgangssituation:


Mikroalgen haben viele besondere Eigenschaften, die eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln und Futtermitteln erlauben. Eine hohe Biomasseproduktivität, eine nahezu 100 %ige Düngernutzungseffizienz, die Möglichkeit zur Verwendung unfruchtbarer Flächen, von Salzwasser und von Nebenströmen als Nährstoffquellen sowie die Nutzung von CO2 ermöglichen eine nachhaltige Her-stellung von zahlreichen wertgebenden Inhaltsstoffen. Dazu gehören Proteine (die bis zu 70 % der Trockensubstanz ausmachen) sowie deren funktionelle Gruppen, ungesättigte Fettsäuren, Pigmente und weitere bioaktive Bestandteile. Algeninhaltsstoffe können in der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie als natürliche Farbstoffe, Nutraceuticals, hydrolysierte Proteine sowie als allgemeine Proteinquelle in der Tierzucht und in der Aquakulturwirtschaft Verwendung finden.


Ziel des interdisziplinären Forschungsvorhabens war die Entwicklung einer innovativen Algenprozessierung basierend auf der Mesh-Ultra-Thin-Layer-Technologie, membranbasierter Ernteverfahren, der Hochspannungsimpulstechnologie (PEF) sowie neuartiger Separations- und Extraktionstechniken. Drei phototrophe Modellstämme, inklusive Extremophiler, wie Spirulina, und höherer Algen, wie Chlorella sowie Scenedesmus, sollten zum Einsatz kommen. Diese Herangehensweise sollte der Industrie eine verbesserte Erschließung von Mikroalgen als alternativer Quelle wertgebender funktioneller Proteine für die menschliche, aber auch für die tierische Ernährung eröffnen und zeigen, wie eine effiziente Kultivierung und bessere Entwässerung, aber auch eine schonende Extraktion von sensitiven funktionellen Inhaltsstoffen realisiert werden kann. In einem interdisziplinären Ansatz sollte durch Kombination innovativer Verfahren auf vorwettbewerblicher Basis ein Konzept zur Nutzung von Algen in Lebensmitteln und in Futtermitteln, aber auch in biotechnologischen und biochemischen Anwendungsbereichen erarbeitet werden.


Forschungsergebnis:


Im Rahmen des Vorhabens konnte die Kultivierung von Spirulina platensis und Scendedesmus dimorophus in einem Mesh-Ultra-Thin-Layer (MUTL)-Prototyp erfolgreich etabliert und optimiert werden. Die Kopplung einer 5 kW-Anlage für gepulste elektrische Felder (PEF) an den Photobioreaktor und damit die kontinuierliche Stimulation der Kulturen wurde erfolgreich etabliert und charakterisiert. Zusätzlich zur kontinuierlichen Stimulation wurden Batchexperimente zur Kurzzeitstimulation der Algen durchgeführt, die ein Screening verschiedener Energieeinträge und deren Wirkung auf die Algenphysiologie ermöglichten. Es wurde gezeigt, dass die PEF-Wirkung bei relativ geringen Energien in der Lage ist, Einfluss auf die Entwicklung der Zellkultur zu nehmen und dass die Zellen ein verändertes nutrazeutisches Potential aufweisen. Die antioxidative Kapazität und der Polyphenolgehalt waren in den stimulierten Biomassen stark erhöht und die Fettsäurezusammensetzung der Zellen signifikant verändert.


Des Weiteren konnte die in ausreichender Menge vorhandene Biomasse in Form von gefrorenem „Slurry“ oder als Trocken- bzw. Frischbiomasse gelagert und von den Partnern weiterverarbeitet werden. Hinsichtlich der unterschiedlichen Kultivierungsmethoden – klassischem Röhrenreaktor und MUTL – konnten Unterschiede in der Produktivität und bezüglich der physiologischen Parametern der Algen festgestellt werden. Bei der Grünalge Scendedesmus zeigte die MUTL-Technologie konsistent eine wesentlich bessere Biomasseproduktivität als die Referenzanlagen. Bei dem Cyanobakterium Spirulina waren die Ergeb-nisse aufgrund der mechanischen Belastung der Zellen nur unzureichend reproduzierbar. Die in der MUTL generierten Produktbiomassen zeigten sowohl eine stark erhöhte antioxidative Kapazität als auch erhöhte Polyphenolgehalte; zusätzlich war die Fettsäurekomposition signifikant verändert. Sowohl die mittels PEF stimulierten als auch die in der MUTL kultivierten Zellen zeigten gegenüber der Referenzbio-masse ein erhöhtes nutrazeutisches Potential und könnten in Zukunft vermehrt in innovativen Produkten Einzug finden.
Außerdem wurde erfolgreich ein Screening von verschiedenen Erntetechnologien durchgeführt. Die erfolgversprechendste Technologie hinsichtlich des Aspekts Energieeinsparung ist die von der Fa. USEGY entwickelte Zentrifugen-Bürsten-Technologie, die eine Energieeinsparung von ca. 70 % gegenüber der Referenz zeigte.


Zur Untersuchung der Extraktionseffizienz der Inhaltsstoffe aus der Algenbiomasse und der Inaktivierung der Kontaminationsflora wurde die PEF-Technologie angewendet. Hierbei wurden verschiedene Einstellungen im Labor- und Technikumsmaßstab angewandt und die Kontaminationsflora hiermit erfolgreich reduziert.


Für die Reinigung der Inhaltsstoffe wurden verschiedene Technologien getestet. Mittels Größenauftrennungschromatographie konnten grüne Chlorophyll-Fraktionen und eine blaue Phycocyanin-Fraktion isoliert werden. Weitere Chromatographiesysteme, wie die Anionen- und Kationenaustauschchromatochraphie, sowie die hydrophobe Interaktionschromatographie wurden getestet. Es zeigte sich, dass mit der Größenausschlusschromatographie die besten Ergebnisse bezüglich Reinheit und mit der hydrophoben Interaktionschromatographie die besten Ergebnisse bezüglich Ausbeute erzielt werden konnten. Die Proteinzusammensetzung der verschiedenen erhaltenen Fraktionen wurde mittels SDS-PAGE analysiert. Es konnte gezeigt werden, dass physika-lische Methoden keinen negativen Einfluss auf die Zusammensetzung haben. Weiterhin konnte eine Lipoxygenase-Aktivität bei den während der Kultivierung mit PEF behandelten Scenedesmus-Überständen nachgewiesen werden. Die Untersuchung der antioxidativen und der antimikrobiellen Eigenschaften wurde anhand von Algenhydrolysaten durchgeführt. Hierzu wurde die saure, alkalische und enzymatische Hydrolyse etabliert. Für eine Vielzahl an Hydrolysaten wurde eine antioxidative und antimikrobielle Aktivität nachgewiesen.
Im Vorfeld der Untersuchungen wurde eine Verbraucherakzeptanzstudie durchgeführt und im Rahmen des Vorhabens Algen-Flips-Pops, Algeneis, Algenpasta, Algenschokolade auf Basis weißer Schokolade, Bonbons/Drops aus Standardreferenzmaterial und verschiedener Algenkekse hergestellt. Von diesen Produkten wurden die Nährwerte bestimmt; die Zusammensetzung der Nährwerte zeigte dabei deutliche Vorteile im Vergleich zu ernährungsphysiologischen Produkten ohne Algenzusatz.


Wirtschaftliche Bedeutung:


In 2010 wurden weltweit insgesamt 5.000 Tonnen Spirulina-Biomasse produziert. Hiervon wurden nur 3 % weiter zu Extrakten, wie z.B. dem Farbstoff Phycocyanin (Spirulina-blau), prozessiert. Phycocyanin ist eines der wichtigsten funktionellen Proteine aus Mikroalgen. Dieser Farbstoff ist der einzige natürliche blaue Farbstoff für Lebensmittelanwendungen, mit dem ein „Clean Label“, d.h. eine Inhalts-stoffliste ohne E-Nummern, realisiert werden kann. Phycocyanin wurde von der amerikanischen Lebensmittelzulassungsbehörde FDA 2013 validiert und sein GRAS-Status (Generally Recognized as Safe) bestätigt. Künstliche Farbstoffe, wie Brilliant Blue (E 133), stehen demgegenüber in Verdacht, Hyperaktivität auszulösen oder sind mit anderen Gesundheitsrisiken behaftet. Nach Ersatz dieses künstlichen Farbstoffes durch Spirulinablau konnte Nestle Rowntree in 2008 einen 9 %igen Anstieg der Verkaufs-zahlen im Süßwarenbereich verzeichnen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten für Algenproteine könnten in den Bereichen Enzyme, bioaktive Substanzen und Inhaltsstoffe entwickelt werden.


Phycocyanin in einer Reinheit von 20 % erzielt derzeit auf dem Weltmarkt einen Preis von 200 - 3.800 €/kg, abhängig von der Qualität. Die jährliche Wachstumsrate (Compounded Annual Growth Rate) von Spirulina-Biomasse wird mit 14 % sowie für Pycocyanin mit 10 % angegeben (Marktdaten 2012). Auf-grund der kürzlich erfolgten FDA-Bestätigung des GRAS-Status von Phycocyanin für den amerikanischen Markt wird sich der Bedarf voraussichtlich stark erhöhen. Für weitere Anwendungen von Algenproteinen gibt es derzeit keine Marktanalysen, da viele Daten vertraulich behandelt werden.
Der größte Anteil an Algenbiomasse wird derzeit in Asien produziert. Die Biomasse wird geerntet, getrocknet und nach Europa verschifft, wo sie resuspendiert und der Extraktion zugänglich gemacht wird. Dieser Ansatz ist äußerst energie- und kostenintensiv. Letztendlich sorgt die Volatilität des Rohmaterialpreises in den letzten Jahren für zusätzliche Herausforderungen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), um ihre Wettbewerbsfähigkeit im inner- und außer-europäischen Ausland aufrecht zu erhalten.
Neue kosteneffiziente und nachhaltige Entwicklungen für verbesserte Nährwertprofile von Lebensmitteln und Futtermitteln könnten europäische KMU stärken. Haupthemmnisse für eine europäische Mikroalgenproduktion sind operative Limitierungen mit Ineffizienzen bei der Produktivität sowie hohe Personalkosten während der Ernte, Entwässerung, Extraktion und der Aufreinigung. Schlüssel für eine nachhaltige Produktion von Mikroalgen sind zum einen die Identifizierung optimierter Kultivierungsbedingungen und die Entwicklung effizienter Kultivierungssystme sowie eine kombinierte Ernte, Separation und Extraktion der Biomasse.


Publikationen (Auswahl):
1. FEI-Schlussbericht 2017.
2. Sandmann, M., Lippold, M., Saalfrank, F., Odika, C.P. and Rohn, S.: Multi-dimensional single-cell analysis based on fluorescence microscopy and automated image analysis. Anal. Bioanal. Chem. 409 (16), 4009-4019 (2017).
3. Sandmann, M., Lippold, M., Seffelaar, H. und Rohn, S.: Anwendung der neuen „Zentrifugen-Bürsten-Technologie“ für die Separation von Zellen der Grünalge Scenedesmus obliquus. Chem. Ing. Tech. 88 (9),1383-1383 (2016).
4. Sandmann, M. und Rohn, S.: Mikroalgen: unerschöpfliches Potenzial für Gesundheit und Ernährung, Nutrition-Press. 9, ISSN 2196-1271 (2016).
Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei den Forschungsstellen abzurufen.

Weiteres Informationsmaterial:
Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. (DIL)
Prof.-von-Klitzing-Str. 7, 49610 Quakenbrück
Tel.: +49 5431 183-140
Fax: +49 5431 183-450
E-Mail: info@dil-ev.de
Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e.V. (ILU)
Arthur-Scheunert-Allee 40/41
14558 Nuthetal
Tel.: +49 33200 518-815
Fax: +49 33200 518-820
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