Verbesserte Vorhersage von Fettreif während der Lagerung von dunklen Schokoladenprodukten

Ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)

Koordinierung:
Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Bonn
Forschungsstelle(n):
DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V., Quakenbrück Dr. Volker Heinz/Dr. Ute Bindrich
Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), Freising Prof. Dr. Horst-Christian Langowski/Isabell Rothkopf
Industriegruppe(n):
Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI), Bonn
Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. (IVLV), Freising
Projektkoordinator: Oliver Stricker August Storck KG, Berlin
Laufzeit: 2016 - 2019
Zuwendungssumme: € 493.170,-- (Förderung durch BMWi via AiF/FEI)


Ausgangssituation:

Da Schokoladenprodukte aus mikrobiologischer und chemischer Sicht sehr stabile Lebensmittel darstellen, sind vor allem physikalische Vorgänge für unerwünschte Qualitätsänderungen während der Lagerung von Bedeutung. Insbesondere Fettreifbildung auf der Schokoladenoberfläche und Erweichung von Schokoladenhülsen durch Migration von Inhaltsstoffen der Füllung sind Hauptursachen für eine begrenzte Lagerstabilität. Wenn sich diese Qualitätsmängel schon vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) zeigen, zieht dies Reklamationen der Verbraucher nach sich bzw. die Produkte müssen zurückgerufen werden und sind dann auch nicht mehr verkäuflich.
Die praktische Überprüfung der Stabilität der Schokoladenprodukte gegenüber diesen Veränderungen ist extrem zeitaufwändig, da die Lagerzeit in der Regel 6 Monate und mehr beträgt. Das ist gerade bei Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten, aber auch Herstellungsprozessen, viel zu lang, um zeitnah reagieren zu können. Daher werden schon seit längerem forcierte Lagertests eingesetzt, um die Dauer bis zum Auftreten der Qualitätsveränderungen auf wenige Wochen zu verkürzen und damit schneller Aussagen zur Stabilität zu erhalten. Problematisch ist allerdings, dass diese Tests bisher nur vergleichende Aussagen liefern. So kann bei parallel gelagerten Produkten lediglich festgestellt werden, für welche eine höhere Lagerstabilität zu erwarten ist. Bei Neuentwicklungen lässt sich so nur messen, ob das neue Produkt stabiler oder weniger stabil im Vergleich zu bereits eingeführten Produkten sein könnte. Daten zur Dauer der stabilen Phase während der Lagerung unter „Normalbedingungen“ lassen sich aus diesen forcierten Tests bisher nicht gewinnen.
Auf der anderen Seite wurden die Vorgänge, die zu den unerwünschten Qualitätsveränderungen in und auf der Schokolade (z.B. Fettreif) führen, in den letzten Jahrzehnten weltweit intensiv erforscht. Zu deren mathematischer Beschreibung wurden unterschiedliche Modelle, basierend auf Diffusion oder kapillarem Fließen, entwickelt. Vorrangiges Ziel war dabei die Aufklärung derAusgangssituation:
Mikroprozesse während der Lagerung. Im Prinzip lässt sich aber mit derartigen Modellen, sofern sie die Realität gut genug widerspiegeln, auch die Stabilität der Schokoladeerzeugnisse bei anderen Lagerbedingungen vorhersagen. Dadurch könnte man die praktische Anwendbarkeit dieser Modelle deutlich erweitern. Allerdings müssen diese forcierten Lagertests dann so konzipiert werden, dass man mit ihnen genau die Daten gewinnen kann, aus denen sich die für die Vorhersage relevanten Modellparameter sicher berechnen lassen.
Ziel des Forschungsvorhabens war es, anhand von nachvollziehbaren Randbedingungen wesentliche Einflussfaktoren auf unerwünschte Veränderungen zu identifizieren und Bedingungen für einen beschleunigten Test zu definieren. In Verbindung mit mathematischen Modellen sollte die Anfälligkeit hinsichtlich der Bildung von Fettreif prognostizierbar gemacht werden.
Die Arbeit im Projekt war auf gefüllte Schokoladenerzeugnisse ausgerichtet, wobei fettbasierte, wässrige und wässrig-alkoholische Füllungen getestet wurden.
Forschungsergebnis:
Die Datenbasis der Erstellung der Voraussagemodelle wurde von beiden Forschungsstellen durch Lagerversuche von Schokolade in Kontakt mit Füllungen gewonnen.
Forschungsstelle 1 hat sich mit wässrigen sowie wässrig-alkoholischen Füllungen befasst. Dabei standen Stofftransportvorgänge von Fluiden aus der Füllung in die Schokolade im Mittelpunkt der Untersuchungen. Diese und deren Auswirkungen auf die Schokoladenstruktur und den polymorphen Zustand der Kakaobutter wurden zeit- und ortsaufgelöst erfasst. Darüber hinaus wurde die Textur und der Festfettgehalt in Abhängigkeit der Kontaktzeit zur Füllung charakterisiert. Zusätzlich wurde festgestellt, dass auch ein Stofftransport von gelöster Saccharose aus der Schokolade in die Füllung stattfindet. Diese Verminderung des Feststoffanteils verändert die Eigenschaften der Schokolade zusätzlich zum Eindringen hydrophiler Fluide. Neben dem erhöhten Anteil an flüssiger Substanz an sich verändert sich auch die Polarität der Schokolade. Das spiegelt sich besonders bei wässrig-alkoholischen Füllungen in veränderten polymorphen Eigenschaften der Kakaobutter wider. Darüber hinaus werden die Adhäsionseigenschaften der Fettkristalle untereinander und mit den Zucker- und Kakaopartikeln beeinflusst. Das wirkt sich auf die Festigkeitseigenschaften der Schokolade aus. Insgesamt muss man von einem instationären Gleichgewichtszustand der Auswirkungen von Quellungs-, Lösungs- und Stofftransportvorgängen ausgehen.
Forschungsstelle 2 hat sich intensiv mit den stofflichen Variablen der Schokolade und fettbasierten Füllungen sowie den Lagerbedingungen als Randbedingung der Vorhersagemodelle beschäftigt. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt war die Gewinnung von Daten zu Wechselwirkungen von Schokolade und fettbasierten Füllungen mit hohen Anteilen an flüssigen Triacylglyceriden. Diese bewirken in Schokolade ebenfalls Struktur- und Texturveränderungen. Die Migration von Öl in die Schokolade wurde zeitaufgelöst anhand des Festfettanteils sowie der Schmelzeigenschaften bewertet. Dabei wurde die Charakterisierung von polymorphen Eigenschaften der Kakaobutter, einschließlich von Fettreif, mittels RheoLaser-Crystal für Schokolade etabliert. Damit stehen Erkenntnisse zum Vergleich unterschiedlicher Messmethoden sowie deren stoffliche Interpretation zur Verfügung.
Mit den für die mathematische Beschreibung des Stofftransports eingesetzten Diffusionsmodellen konnte die Migration sowohl des Wassers aus den wässrigen Füllungen als auch von Füllungsfetten aus fettbasierten Füllungen erfolgreich modelliert werden. Auch die instationären Zustände bei der Migration aus wässrig-alkoholischen Füllungen konnten durch entsprechend angepasste Modelle in guter Näherung wiedergegeben werden. Die Abhängigkeit der effektiven Diffusionsparameter von der Temperatur wurde ebenfalls berechnet. Damit stehen im Ergebnis des Vorhabens die mathematischen Grundlagen zur Verfügung, um basierend auf forcierten Lagertests bei höheren Temperaturen die zu erwartende Lagerstabilität bei geringeren Temperaturen vorherzusagen.

Wirtschaftliche Bedeutung:
Das Projekt ist vor allem für die Hersteller von gefüllten Schokoladenerzeugnissen, z.B. Pralinen oder Riegel, wirtschaftlich relevant. Im Jahr 2018 wurden Pralinen und andere gefüllte Schokoladenerzeugnisse mit einem Gesamtwert von ca. 1,6 Mrd. € hergestellt. Diese Produkte wurden von rd. 270 Betrieben produziert, von denen 47 % weniger als 100 Beschäftigte hatten (Süßwarentaschenbuch, 2018/19). Wenn man davon ausgeht, dass auf der Basis vorsichtiger Schätzungen nur 1 % dieser Erzeugnisse aufgrund von Fettreiferscheinungen während des MHD nicht mehr verkauft werden können, entspricht das bereits einem Wert von 16 Mio. € pro Jahr. Eine Verringerung dieser Reklamationsquote um ein Drittel summiert sich somit schon zu einer jährlichen Einsparung von mehr als 5 Mio. €.
Innerhalb des Projektes wurden die Wechselwirkungen von Schokolade und Füllungen unterschiedlicher Zusammensetzung untersucht. Den Schwerpunkt bildete dabei die Bildung von Fettreif als Folge des Füllungskontakts. Gegenstand der Untersuchungen waren fettbasierte Füllungen sowie wässrige und wässrig-alkoholische Füllungen. Der Kontakt der Schokolade zur Füllung bewirkt Stofftransportprozesse, die in Abhängigkeit von der Zeit und teilweise auch ortsaufgelöst erfasst wurden. Derartige Daten wurden erstmalig systematisch gewonnen und bildeten die Grundlage der Modellierung der Veränderung qualitätsbestimmender Eigenschaften von Schokolade. Diese spiegeln auch die komplexen Wechselwirkungen im Stoffsystem Schokolade und prinzipiell Möglichkeiten der Beeinflussung wider.
Es wurde mit dem Einsatz des RheoLaser-Crystal ein neues Messprinzip zur Charakterisierung der polymorphen Eigenschaften von Kakaobutter in Schokolade praktisch angewendet. Der Vergleich der Ergebnisse mit etablierten Messverfahren (DSC) ermöglicht eine zielgerichtetere Interpretation der Ergebnisse beider Messverfahren und zeigt auch das Potential für eine betriebliche Qualitätskontrolle auf.
Aus den Schlussfolgerungen zu den Mechanismen des Stofftransports von Fluiden aus der Füllung in die Schokolade und von gelösten Substanzen (Saccharose bei hydrophilen Füllungen und Kakaobutter bei Füllungen auf Fettbasis) aus der Schokolade in die Füllung ergeben sich Möglichkeiten, den Stofftransport einzuschränken und somit die Lagerstabilität von gefüllten Schokoladenerzeugnissen nicht nur zu prognostizieren, sondern auch hinsichtlich einer verbesserten Lagerstabilität zu verändern.
Mit den neuen Kenntnissen und Werkzeugen aus dem Projekt kann sowohl die Qualitätssicherung als auch die Produktentwicklung in der Schokoladenindustrie deutlich verbessert werden. Es kann auf aufwändige Lagertests unter „Normalbedingungen“ zur Kontrolle bei Produktneuentwicklungen und Prozessumstellungen verzichtet werden. Unternehmen erhalten schnellere Aussagen zur Stabilität bei gegebenen Lagerbedingungen bzw. auch zu angepassten Lagerbedingungen für ein angestrebtes MHD. Dies reduziert die Zahl an Reklamationen durch unerwartete Qualitätseinbußen vor Erreichen des MHD. Zudem besteht die Möglichkeit, z.B. die Schichtdicken der Schokolade durch modellbasierte Vorhersagen der zu erwartenden Migrationsprozesse zu optimieren oder auch die unterschiedlichen Verfahren der Hülsenbildung von gefüllten Schokoladen anzupassen.
Die Ergebnisse sind speziell für KMU in diesem Bereich von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Diese vertreiben häufig gefüllte, hochpreisige Pralinen und stehen unter einem hohen Innovationsdruck. Umsatz- und Imageverluste durch ungenügende Stabilität, gerade bei Neuentwicklungen, können für diese Unternehmen existenzbedrohend sein. Von besonderem Vorteil in Hinblick auf eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse ist, dass hierfür keine Investitionen erforderlich sind.
Darüber hinaus sind lassen sich die ebenfalls aus dem Projekt resultierenden Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses produkt- und prozessrelevanter Parameter auf die Lagerstabilität sehr einfach in die industrielle Praxis übernehmen.


Publikationen (Auswahl):

1. FEI-Schlussbericht 2019
2. Rothkopf, I., Schütz, B., Danzl, W. und Ziegleder, G.: Comparison of isothermal and cycling temperature storage of filled dark chocolate products for accelerated shelf life prediction. Eur. J. Lipid Sci. Technol. 119 (9), DOI: 10.1002/ejlt. 201600481 (2017).
3. Franke, K.: Verbesserte Vorhersage von Fettreif während der Lagerung von gefüllten dunklen Schokoladenprodukten anhand forcierter Lagertests. Jahresb. 2017/2018 DIL Quakenbrück, 112-115, (2017/2018).

Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei den Forschungsstellen abzurufen.

DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V.
Prof.-von-Klitzing-Straße 7
49610 Quakenbrück
Tel.: +49 5431 183-232
Fax: +49 5431 183-200
E-Mail: v.heinz@dil-ev.de

Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik
und Verpackung (IVV)
Giggenhauser Straße 35
85354 Freising
Tel.: +49 8161 491-100
Fax: +49 8161 491-111
E-Mail: langowski@ivv.fraunhofer.de

Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI)
Godesberger Allee 125, 53175 Bonn Tel.: +49 228 3079699-0
Fax: +49 228 3079699-9 E-Mail: fei@fei-bonn.de