Stoffliche und verfahrenstechnische Konzeption veganer Wurstwaren

Ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)

Ausgangssituation:
Nach Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie ist seit Jahren ein Rückgang des Fleischwarenverzehrs in Deutschland zu verzeichnen. Hingegen wuchs der Konsum von veganen und vegetarischen Produkten in den letzten Jahren um stetig um ca. 8 – 10 %. Bei der bewussten Abwendung von Produkten aus Fleisch und tierischem Fett spielen sowohl ethische und ökologische Gesichtspunkte wie Tier- und Umweltschutz, als auch gesundheitliche Aspekte eine Rolle. Auch unter dem Gesichtspunkt einer wachsenden Weltbevölkerung, ist eine vermehrte Nutzung von Nahrungsquellen auf pflanzlicher oder mikrobieller Basis unumgänglich. Zwar haben viele Unternehmen der Fleischwarenbranche diese Entwicklungen bereits erkannt und mit der Vermarktung von „Wurstwaren“ auf pflanzlicher Basis begonnen, jedoch ist ein Ausbau des bestehenden Angebots notwendig. Zu Beginn des Projekts fanden sich vorwiegend entweder streichfähige pflanzliche Brotaufstriche auf dem Markt oder schnittfeste Produkte, die, wie auch heute noch, tierische Proteine wie z. B. Molken- oder Eiproteine zur Strukturierung enthalten können. Der oft für rein pflanzliche Produkte praktizierte Entwicklungsansatz aus Mischungen gelöster pflanzlicher Proteine und/oder Hydrokolloide unter Zugabe unstrukturierter pflanzlicher Öle oder Fette wurstähnliche Strukturen zu erzeugen, führt zu Produkten, die hinsichtlich ihrer Textur eher einen Käse- als einen Wurstcharakter besitzen. Darüber hinaus existieren derzeit kaum Würste auf pflanzlicher Basis, die einen Rohwurstcharakter besitzen. Es besteht daher speziell im Bereich der schnittfesten, veganen Wurstwaren Bedarf an grundlegenden Forschungserkenntnissen, die es Unternehmen ermöglichen wesentlich gezielter Produkt- und Prozessentwicklungen vorzunehmen.

Forschungsergebnis:

Ziel des Forschungsvorhabens war es, stoffliche und verfahrenstechnische Ansätze herauszustellen, die es ermöglichen, eine Vielfalt an veganen Wurstwaren zu entwickeln. Als Grundhypothese des Projektes wurde postuliert, dass vegane Wurstmassen, die zur Herstellung schnittfester veganer Würste mit Brühwurst- oder Rohwurstcharakter benötigt werden, aus drei unterschiedlichen Strukturelemente bestehen sollten: (1) nichtlösliche anisotropische Proteinfasern mit definiertem Wassergehalt, (2) partiell-kristalline Fettpartikel mit spezifischen Schmelzprofilen und (3) hochviskose Proteinsuspensionen, die gelierfähig sind. Derartige vegane Matrices sollten anschließend unter Verwendung etablierter fleischtechnologischer Verfahren (Brühen, Trocknen, Fermentieren, Räuchern) zu schnittfesten veganen Würsten mit unterschiedlichen Produktattributen verarbeitet werden.
Als Ersatz für tierisches Fettgewebe wurde pflanzliches Fett, vergleichbar mit der Struktur tierischen Fettgewebes, in ein Netzwerk aus Pflanzenproteinen eingebettet und dieses mittels Transglutaminase enzymatisch vernetzt. Proteinisolate aus Soja und Erbse konnten erfolgreich zum Emulgieren und anschließenden Gelieren verwendet werden. Die Menge an Lipiden betrug 70 % (m/m) und bestand aus Rapsöl oder Mischungen aus Rapsöl und pflanzlichen Fetten. Das pflanzliche Proteinnetzwerk war in der Lage bis zu einem gewissen Mischungsverhältnis von Rapsöl und Fett, die plastischen Eigenschaften der Fettkristallnetzwerke zu überlagern. Die pflanzlichen Fette wiesen damit, ähnlich wie tierisches Fettgewebe, elastische Eigenschaften auf. Beim Einsatz in veganen Salami-Analogen zeigte sich, abhängig von der verwendeten Öl-Fett-Mischung, auch bei der Trocknung ein visuell ansprechendes Erscheinungsbild, welches der Fettverteilung herkömmlicher Rohwürste optisch sehr ähnlich war.
Für die Entwicklung veganer Rohwurstanaloge wurde die Glucono-δ-lacton (GdL)-induzierte Gelbildung verschiedener Pflanzenproteinsuspensionen untersucht, welche vorwiegend mit Soja- und Erbsenprotein erfolgreich waren. Um eine stärkere Vernetzung und Verfestigung der Pflanzenproteingele zu ermöglichen, wurde zudem die Zugabe von Transglutaminase (TG) zu diesen untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass durch eine gleichzeitige Zugabe von TG und GdL die beabsichtigte stärkere Vernetzung und erhöhte Festigkeit, im Vergleich zu rein GdL-induierten Gelen, bei typischem Säurecharakter erzeugt werden konnte. Die folgende Anwendung der Proteinensuspensionen als Binder bestätigte zudem die Hypothese, dass aus den Komponenten Proteinfasern, Fettpartikel und hochviskose (Soja-)Proteinsuspensionen mit fleischtechnologischen Verfahren schnittfeste Rohwurstanaloge hergestellt werden können. Hierbei zeigte sich jedoch, dass eine Erhitzung der Rohwurstanaloge für die mikrobiologische Sicherheit notwendig ist, da aus der Fleisch-Rohwurst-Herstellung etablierte Hürden (pH, aw, Nitritpökelsalz, Schutzkulturen) hier nicht erreicht werden oder nicht vorhanden sind. Durch eine gelierte Sojaproteinsuspension als Binder konnten durch verschiedene Formulierungen ausreichende Festigkeit und Kohäsivität verschiedener Produkte erreicht werden, jedoch konnten beide Eigenschaften nicht gleichzeitig mittels einer Formulierung erreicht werden. Durch den Einsatz von Gluten als Binder wurde dieses Ziel erreicht und lieferte darüber hinaus die wichtige Erkenntniss, dass Adhäsion und Kohäsivität essentielle Bindereigenschaften für die Herstellung von veganen Wurstanalogen sind. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse, inwiefern sich die spezifischen Eigenschaften der Zutaten (Binder, Emulsionsgel, Extrudate) sowie deren Menge auf die Textur und Sensorik der Produkte auswirkt. Mittels spezifischer Anpassung der Rezeptur und des Prozesses können so Rohwurstanaloge mit verschiedenen texturellen und sensorischen Eigenschaften hergestellt werden.
Durch Charakterisierung geeigneter pflanzlicher Proteinpräparate und Emulsionsgele zur Herstellung einer veganen Brühwurst-Masse zeigte sich, dass als nicht-löslichen anisotrope Proteinfasern unter Wasser-Zugabe zerkleinerte Nassextrudate sind. Wenn diese sehr viskose Masse mit Proteinpräparat vermengt und hitze-induziert geliert wird, entsteht die hochviskose kontinuierliche Phase der veganen Brühwurst. Prinzipiell können zur Erzeugnung dieser Masse Proteinpräparate aus Leguminosen, wie z. B. Erbse und Soja, sowie aus Ölsamen, z. B. Sonnenblumen oder Kürbis, verwendet werden. Je nach Rohstoff kann es zu Unterschieden in der Textur und Elastizität der Gelbildung kommen, wobei die Stabilität für eine vegane kalt- oder warm-verzehrbare Brühwurst-Masse nicht ausreichend ist. Durch Zugabe von Polysacchariden, wie Flohsamenschalen und Leinsamenmehl, werden die Massen um ein Vielfaches elastischer und stabiler und sind ohne Gegendruck (Behältnis, Darm) wieder-erwärmbar, wobei die Stabilität vergleichbar zu den kalten Massen ist. Durch Zugabe von Öl oder eines Emulsionsgels wird vor allem die Elastizität der veganen Massen geschwächt, weshalb auf die Zugabe verzichtet werden sollte.
Durch ausführliche messtechnische und mikroskopische Charaktisierung der Struktur der pflanzlichen Proteinmassen und deren Kombination mit Polysacchariden, stehen unterschiedliche Rohstoffe mehrerer botanischer Familien parat, die je nach Produkt-Wunsch kombiniert werden können.
Wirtschaftliche Bedeutung
Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse zu Zusammensetzung und Verarbeitung veganer Wurstwaren, ermöglicht es Unternehmen, unterschiedlichste vegane Wurstanaloge (heiß und kalt verzehrbare Brühwurstanaloge, Rohwurstanaloge) mit neuen Strukturen herzustellen. Von 2014 bis 2018 konnte der Umsatz veganer und vegetarischer Produkte bereits von rund 150 Mio. Euro auf 1,1 Mrd. Euro gesteigert werden. Die Ergebnisse des Projektes bieten somit Unternehmen aus der Fleischbranche technologische Wettbewerbsvorteile und eine Möglichkeit, die rückläufigen Entwicklungen im Fleischwarenbereich zu kompensieren.
Unternehmen, die pflanzliche Rohstoffe, speziell, Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide verarbeiten, könnten durch die Nutzung von Haupt- und Nebenproduktströmen für die Herstellung neuartiger veganer Produkte eine Absatzsteigerung erzielen.

Publikationen (Auswahl)
1. FEI-Schlussbericht 2020.
2. Dreher, Johannes, Carolin Blach, Nino Terjung, Monika Gibis, Jochen Weiss. “Formation and Characterization of Plant-Based Emulsified and Crosslinked Fat Crystal Networks to Mimic Animal Fat Tissue.” (2020) Journal of Food Science 85 (2): 421–31. doi.org/10.1111/1750-3841.14993.

Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei den Forschungsstellen abzurufen.

Weiteres Informationsmaterial:
Forschungsstelle (Übernahme aus FEI-Kurzbericht)
Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) Godesberger Allee 125, 53175 Bonn Tel.: +49 228 3079699-0 Fax: +49 228 3079699-9 E-Mail: fei@fei-bonn.de