Pflanzenkohle als Fütterungszusatz zur Reduktion der Skatol- und IndolKonzentrationen im Schweinefleisch

AiF 20221 N

Koordinierung:
Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI), Bonn

Forschungsstelle(n):
DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V., Quakenbrück
Dr. Volker Heinz/Dr. Nino Terjung

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Institut für Tierernährung
Juniorprofessur für Diätetik bei Infektionen im Nutztierbestand
Jun.-Prof. Dr. Christian Visscher


Industriegruppe(n):
Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. (BVDF), Bonn

Projektkoordinator:
Niko Brand
Brand Qualitätsfleisch GmbH & Co. KG, Lohne

Laufzeit:
2018 – 2021

Zuwendungssumme:
€ 498.990,--
(Förderung durch BMWi via AiF/FEI)

Forschungsziel

Die Fleischwirtschaft gehört mit einem Umsatz von 41 Mrd. € zu den umsatzstärksten Wirtschaftsbereichen
der deutschen Lebensmittelindustrie. Rund 20 % der in der EU anfallenden Schweine werden in Deutschland geschlachtet, von den 60 Mio. benötigten Ferkeln werden lediglich ca. 20 % aus den Niederlanden und aus Dänemark importiert. 

Der strenge Geruch von Eberfleisch ist der Grund, warum Ferkel kastriert werden. Als Schlüsselsubstanzen des Ebergeruchs wurden Skatol und Indol identifiziert, die insbesondere im Fett von nicht kastrierten Ebern angereichert sind. Der Geruch dieser Substanzen wird als stall-/fäkalartig bzw. urin-/ schweißartig oder blumig-süßlich beschrieben.

Aufgrund einer in Kürze in Kraft tretenden Gesetzesänderung wird die derzeit praktizierte betäubungslose Ferkelkastration in Deutschland künftig verboten sein. Schon jetzt verkauft ein Teil des Handels kein Fleisch mehr von betäubungslos kastrierten Schweinen. Daher benötigen Ferkelerzeuger, Mastbetriebe und Schlachthöfe, aber auch die Hersteller von Fleischprodukten größtmögliche Sicherheit, dass bei Verzicht auf  die Kastration kein Ebergeruch auftritt. Auch wenn das Fleisch von Ebern nicht grundsätzlich einen unangenehmen Geruch aufweist (ca. 2-25 % der Eber), werden derzeit in Deutschland ca. 900 Tonnen Eberfleisch pro Woche mit einer Genussuntauglichkeitsbeurteilung als K3-Material entsorgt, da frisches Fleisch mit ausgeprägtem Geschlechtsgeruch als ungeeignet für den menschlichen Verzehr deklariert werden muss.

Als Alternative zur betäubungsfreien Kastration bzw. zur Reduzierung des Ebergeruchs wurden in der Vergangenheit bereits diverse Verfahren diskutiert: die Verzögerung der Geschlechtsreife per Impfung (Immunokastration), die tierärztliche Kastration unter Narkose/Lokalanaästhesie und die Reduzierung der Skatolkonzentration durch diätetische Maßnahmen, d. h. insbesondere durch den Einsatz von Inulin oder nativer Kartoffelstärke. Die beiden ersten Methoden gelten für den Exportmarkt als ungeeignet oder als zu kostenintensiv und damit als nicht praxistauglich und stellen keine zufriedenstellende Methode für Landwirtschaftsbetriebe und Schlachthöfe dar. Während die Immunokastration in das Hormonsystem des Schweins eingreift  und die Impfstoffe in Relation zur Schlachtkörperbewertung zu teuer sind, sind bei einer Narkose die zeitliche Einschränkung der Mastzeiten und Masteinbußen durch Nachschlafphase und Energieverlust nach der Narkose zu berücksichtigen. Die Reduzierung der Skatolkonzentration im Tierkörper durch Fütterung von Inulin und Kartoffelstärke ist zwar möglich, aus wirtschaftlichen Aspekten jedoch keine ernstzunehmende Alternative, da die notwendigerweise hohen Einsatzmengen dieser speziellen Futtermittel nicht akzeptable Kosten verursachen. Auch kann die Fütterung von Kartoffelstärke einen negativen Effekt auf die Gewichtsentwicklung haben. Die Verdauungskapazität für rohe Kartoffelstärke ist begrenzt, da diese enzymatisch im Dünndarm nur schwer aufzuschließen ist. Grundsätzlich wurde jedoch gezeigt, dass eine Reduktion geruchsaktiver  Substanzen durch Fütterungsansätze möglich ist, denn das im Darm produzierte Skatol und Indol werden durch die Darmschleimhaut aufgenommen. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Skatol- und Indolkonzentration im Darm und der Konzentration dieser Stoffe im Fettgewebe von Schweinen konnte aufgezeigt werden.

Aktivkohle ist seit Jahrhunderten für eine besonders gute Adsorptionsfähigkeit bekannt und der Einsatz als Futtermittel in Form von pflanzlicher Kohle bzw. Biokohle ist nach der EU-Futtermittelverordnung zugelassen. Daher erscheint der Einsatz von Pflanzenkohle als Futtermittelzusatz zur Adsorption von Skatol und Indol  im Darm zur Reduzierung bzw. Vermeidung des Ebergeruchs als naheliegend. Die Nutzung von Pflanzenkohle  erfüllt dabei tierschutzrechtliche Aspekte (keine Kastration) und kann aufgrund der Herstellung aus Nebenströmen auch wirtschaftlich gestaltet werden. 

Ziel des Forschungsvorhabens ist es deshalb, die Applikation von Pflanzenkohlen als Futtermittelzusatz zur Skatol- und Indolreduktion zu untersuchen, um eine kostengünstige und tierschutzgerechte Reduzierung des Ebergeruchs ohne Kastration zu ermöglichen.

Wirtschaftliche Bedeutung

Im Rahmen des Projekts werden erstmals systematisch Pflanzenkohlen charakterisiert und ein Funktionszusammenhang zwischen Struktur und Adsorptionsfähigkeit von geruchsaktiven Substanzen im Tierkörper  (Skatol und Indol) hergestellt. Der Einsatz von Pflanzenkohle als Komponente im Mischfutter soll so die Vermarktung von geruchsunauffälligem Eberfleisch ermöglichen. Damit wird für eine Vielzahl von Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein Wettbewerbsvorteil erarbeitet, da neue Chancen in nationalen und internationalen Märkten erschlossen werden. So ist die Mast von nicht kastrierten Ebern, die eine hohe Muskelfleischfülle und damit eine bessere Bewertung in der Handelsklasse aufweisen und sich durch eine bessere Futterverwertung auszeichnen, von besonderem wirtschaftlichem Interesse. Zusätzlich kann eine Reduzierung der als untauglich klassifizierten Eber erreicht werden. Es ist absehbar, dass ab 2019 die  Zahl der produzierten Masteber steigen wird. Schon jetzt sind die Absatzwege für Eberfleisch mit leichten  Geruchsabweichungen sehr begrenzt, daher ist der hier angestrebte Ansatz von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.

Die bislang zur Verfügung stehenden Methoden sind wirtschaftlich aufwändig und mit Risiken behaftet und werden vom Handel und den Verbraucher teilweise nicht akzeptiert. Bei Verzicht auf eine Kastration können durch den Eingriff bedingte Tierverluste vermieden werden und gleichzeitig tierschutzrechtliche Aspekte optimal berücksichtigt und damit das Tierwohl gefördert werden. Darüber hinaus ermöglicht die Fütterung von Pflanzenkohle eine bessere Nitratbindung im Boden und führt damit zu einer Verbesserung der Bodenqualität. Der Einsatz von Pflanzenkohle ist damit in Hinblick auf die Reduzierung der Nitratbelastung des Grundwassers ebenfalls positiv zu bewerten; zusätzlich führt die Fütterung zu einer besseren Tiergesundheit.

Hersteller von Pflanzenkohle könnten bei Vorliegen gezielter Anforderungsprofile mit maßgeschneiderten Materialien einen entsprechend hochpreisigen Absatzmarkt bedienen.

Weiteres Informationsmaterial

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Tel.: +49 5431 183-232
Fax: +49 5431 183-200
E-Mail: v.heinz@dil-ev.de

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Tel.: +49 511 856-7415
Fax: +49 511 856-7698
E-Mail: christian.visscher@tiho-hannover.de

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Förderhinweis

    

Das IGF-Vorhaben AiF 20221 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Godesberger Allee 125, 53175 Bonn, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.