Entwicklung von Methoden zum Nachweis einer unerlaubten Färbung von Fruchtkonzentraten und Gewürzextrakten sowie Fleisch- und Wurstwaren mit Reaktivfarbstoffen

AiF 19637 N

Koordinierung: 
Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI), Bonn

Forschungsstelle(n): 
Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. (DIL), Quakenbrück
Dr. Volker Heinz/Dr. Andreas Juadjur

Technische Universität Braunschweig
Institut für Lebensmittelchemie
Prof. Dr. Peter Winterhalter/Dr. Gerold Jerz

Industriegruppe(n):
Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. (BVDF), Bonn Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e.V. (VDF), Bonn

Projektkoordinatorin:
Dr. Elke Stich GNT Europa GmbH, Aachen

Laufzeit:
2017 - 2020

Zuwendungssumme:
€ 444.840,--
(Förderung durch BMWi via AiF/FEI)

Ausgangssituation:

Das Kaufverhalten der Verbraucher wird bei Lebensmitteln in hohem Maße durch das Aussehen und die Farbe der Produkte beeinflusst, da hiermit subjektive Qualitätsmerkmale, wie Frische, Schmackhaftigkeit und Haltbarkeit, verknüpft werden. Zum Ausgleich von Farbverlusten bei der Verarbeitung und der Lagerung sowie zur Einfärbung von ansonsten farblosen oder andersfarbigen Lebensmitteln können Lebensmittel gefärbt werden. Wenn Lebensmittelfarbstoffe eingesetzt werden, gelten diese allerdings als Zusatzstoffe und müssen nach EU-Norm mit einer E-Nummer kenntlich gemacht werden. Neben dem erlaubten Zusatz von Lebensmittelfarbstoffen hat es in der Vergangenheit aber immer wieder Verstöße gegeben, die eine Nichtkenntlichmachung des Zusatzes von Farbstoffen zu Lebensmitteln bzw. die Verwendung nichtzugelassener und toxischer Verbindungen (z. B. Bleimennige und Sudanrot in Paprikapulver) umfassten. In jüngster Zeit verdichten sich die Hinweise auf einen unerlaubten Einsatz von Reaktivfarbstoffen (Azofarbstoffen) aus dem Textilbereich zur Rot-Färbung von Lebensmitteln. Es handelt sich u. a. um Gewürzpräparate und färbende Lebensmittel für die Verwendung in Fleischerzeugnissen (z. B. in Brühwürsten und Kochpökelwaren), die mit färbender Wirkung durch betalain- oder anthocyanhaltige Pflanzenextrakte ausgelobt wurden, jedoch für diese sekundären Pflanzeninhaltsstoffe eine sehr ungewöhnliche Stabilität bezogen auf pH-Wert, Hitze- und Lichteinfluss aufwiesen. Der analytische Nachweis dieser Stoffe ist schwierig, da der Farbstoff an eine Matrix aus löslichen Polysacchariden (u. a. Maltodextrinen und Pektinen) gebunden ist.

Bislang fehlten zuverlässige Methoden, um gebundene Azofarbstoffe zweifelsfrei und quantitativ in den als natürlich deklarierten Extrakten bestimmen zu können. Sollten diese Reaktivfarbstoffe in das Endprodukt gelangen, drohen Herstellern existenzbedrohende Imageschäden, von denen insbesondere KMU betroffen sind.

Ziel des Forschungsvorhabens war es, geeignete Methoden zum analytischen Nachweis von Reaktivfarbstoffen in Lebensmitteln mit den Schwerpunkten Gewürzextrakte und Fruchtkonzentrate sowie Fleisch- und Wurstwaren zu entwickeln. Es sollten Kenntnisse zur chemischen Zusammensetzung dieser Reaktivfarbstoffe gewonnen werden, da es sich um komplexe Reaktionsgemische handelt, die neben dem eigentlichen Farbstoff auch Synthesenebenprodukte (Farbstoff Kongenere) und anorganische Bestandteile enthalten. Insbesondere sollte für Betriebe und Handelslaboratorien eine Schnellmethode entwickelt werden, mit der Gewürzextrakte und Fruchtkonzentrate routinemäßig auf das Vorhandensein von Reaktivfarbstoffen überprüft werden können, um eine Weiterverarbeitung grundsätzlich auszuschließen. Weiterhin sollten Modellumsetzungen mit Proteinen und Polysacchariden erfolgen und die gebildeten Konjugate chemisch gespalten werden. Auf dieser Basis sollte ein Nachweisverfahren (Summenmethode) entwickelt werden, mit dessen Hilfe ein sicherer qualitativer und quantitativer Nachweis eines Zusatzes von Reaktivfarbstoffen geführt werden kann.

Forschungsergebnis:

Mit der entwickelten photometrischen Schnellmethode ist für lebensmittelproduzierende Unternehmen fortan ein Verfahren verfügbar, um effizient und mit einfachen Mitteln die Authentizität von färbenden Rohstoffen, wie Rote-Bete-Extrakten oder Gewürzpräparaten, umfassend zu prüfen. Neben dem Nachweis von Reaktivfarbstoffen wird durch die Schnellmethode zusätzlich der Nachweis unzulässiger Monascuspigmente sowie die Klassifizierung von Anthocyanen, Betalainen und Echtem Karmin zum Beispiel im Rahmen einer innerbetrieblichen Wareneingangskontrolle ermöglicht. Im Speziellen werden dazu die farbgebenden Eigenschaften einer Farbstoffprobe unter pH-Variation und Hitzeeinwirkung photometrisch erfasst und unter Zuhilfenahme multivariater Analysemethoden mit einer Datenbank an Referenzwerten verglichen. Für die Auswertung mittels k-Nearest-Neighbour-Klassifizierung und Linearer Diskriminanzanalyse in der Praxis stehen mehrere Möglichkeiten zur Halbautomatisierung zur Verfügung, beispielsweise unter Einbeziehung einer Tabellenkalkulationssoftware, wie Excel, oder Statistikprogrammen, wie R oder MATLAB. Für einen Methodentransfer können somit auf die Anforderungen des Anwenders zugeschnittene Lösungen angeboten werden.

Bei einem positiven Befund durch die Schnellmethode können Reaktivfarbstoffe im Anschluss mit Hilfe einer ergänzenden 1H-NMR-spektroskopischen Fingerprintanalyse identifiziert und von künstlichen Lebensmittelfarbstoffen unterschieden werden. Gefundene charakteristische Signale im 1H-NMR-Spekt-rum von künstlichen Farbstoffen werden für die Farbstoffidentifizierung genutzt. Diese können zweifelslos einem bekannten künstlichen (Reaktiv-)Farbstoff zugeordnet werden. Reaktivfarbstoffe, die bei der Methodenentwicklung nicht zur Verfügung standen, können zudem anhand von charakteristischen Signalmustern von Vinylsulfonbasierten Reaktivankern erkannt werden, sofern dieses spezielle Strukturmerkmal vorhanden ist. Die NMR-Analytik stellt somit eine optimale Ergänzung zur Schnellmethode dar. Die Farbstoffidentifizierung ist zudem bei der Auswahl der geeigneten Probenaufarbeitungsstrategie für die quantitative LC-MS-Analyse dienlich.

Für die weitere qualitative und quantitative Analyse von Reaktivfarbstoffen in Lebensmitteln wurde ein Verfahren zur reduktiven Spaltung der Azofarbstoffe und anschließenden Bestimmung der gebildeten Fragmente entwickelt und validiert. Die Azogruppe der Reaktivfarbstoffe wird hydrogenolytisch mit Zinn(II)-chlorid umgesetzt. Die dabei entstehenden frei vorliegenden aromatischen Amine werden anschließend mit Hilfe einer Solid-Phase-Extraktion an einer schwachen Anionenaustauscherphase (bei sulfonierten Spaltprodukten) bzw. an einer starken Kationenaustauscherphase (bei nicht-sulfonierten Spaltprodukten) aus dem Reaktionsmedium aufgereinigt und mittels HPLC-ESI-MS/MS sowie HPLC-FLD bestimmt. Als Summenmethode werden dabei sowohl gebundene als auch ungebundene Farbstoffanteile in färbenden Rohstoffen (z. B. Gewürzzubereitungen, Saftkonzentraten) sowie in verzehrfertigen Lebensmittelendprodukten (z. B. Wurstwaren) erfasst.

Nach der Evaluierung verschiedener Fließmittelsysteme konnte zudem am Beispiel des Farbstoffes Reactive Red 195 die pH-Zone-Re-finement-Countercurrent-Chromatographie erfolgreich angewandt werden. Diese Technik steht somit für die Fraktionierung und Strukturaufklärung unbekannter Reaktivfarbstoffe zur Verfügung.

Zur weiteren Erprobung der Analysenmethoden unter möglichst realen Bedingungen wurde des Weiteren eine Blindvalidierung durchgeführt. Hier konnten unter Kombination der im Projekt entwickelten Verfahren in allen Proben die Reaktivfarbstoffe korrekt nachgewiesen werden. Zusätzlich sind innerhalb der Projektlaufzeit 21 vorgeblich rein natürliche, jedoch unnatürlich farbstabile Farbstoffpräparate an den Forschungsstellen eingegangen, die mit Hilfe der entwickelten Methoden eingehend analysiert wurden. Insgesamt konnten in elf Proben Reaktivfarbstoffe nachgewiesen werden, wobei sich der verbotene Einsatz auf die gut verfügbaren Farbstoffe Reactive Red 120, Reactive Red 195 und Reactive Red 198 eingrenzen ließ. In sechs weiteren Proben waren Monascuspigmente als farbgebende Komponente enthalten. Auffällig ist, dass bei diesen Proben laut Deklaration vermehrt eine Färbung durch Paprikaextrakte ausgelobt wurde. Die aufgeführten Ergebnisse zeigen erneut die Notwendigkeit zuverlässiger Nachweismethoden für Reaktivfarbstoffe in Lebensmitteln auf. Ihr Einsatz ist im EU-angrenzenden Ausland, wie beispielsweise der Türkei, offensichtlich nach wie vor weit verbreitet. Die Thematik ist somit weiterhin hoch aktuell. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass der unerlaubte Zusatz von Monascuspigmenten ebenfalls einer steigenden Bedeutung zukommt. Mit den im Projekt geschaffenen Methoden stehen lebensmittelproduzierenden Unternehmen und Handelslaboren künftig geeignete Verfahren zum Nachweis dieser Verfälschungsmittel und zur Vermeidung einer Weiterverarbeitung unzulässiger Präparate zur Verfügung.

Vielzahl von Betrieben der Fleischwarenindustrie und weiterverarbeitender Branchen, wie der Milch- und Getränkeindustrie. Kleine Mittelständische Unternehmen (KMU) können basierend auf der im Projekt erarbeiteten Schnellmethode mit einfachen apparativen Mitteln (Spektralphotometer) bei ihrer Wareneingangskontrolle eine Überprüfung auf Reaktivfarbstoffe durchführen.

Publikationen (Auswahl):

1. FEI-Schlussbericht 2021.

2. Juadjur, A.: Nachweis unerlaubter Färbungen mit Reaktivfarbstoffen. Jahresb. DIL 20/21, 102-103 (2020).

3. Januschewski, E., Bischof, G., Nguyen Thanh, B., Bergmann, P., Jerz, G., Win-terhalter, P., Heinz, V. & Juadjur, A.: Rapid UV/Vis Spectroscopic Dye Authentication Assay for the Determination and Classifi-cation of Reactive Dyes, Monascus Pigments, and Natural Dyes in Coloring Foodstuff. J. Agric. Food Chem. 68 (42), 11839-11845 (2020).

4. Nguyen Thanh, B., Januschewski, E., Juadjur, A., Jerz, G. & Winterhalter, P.: Nachweis von gebundenen Reaktivfarbstoffen in verschiedenen Lebensmittelmatrices. Lebensmittelchem. 74 (5), 140 (2020).

5. Juadjur, A.: Nachweis unerlaubter Färbungen mit Reaktivfarbstoffen. Jahresb. DIL 19/20, 76-77 (2019).

6. Mrasek, V.: Textilfarbstoffe in Wurst aufspüren. Deutschlandfunk (2019). Online verfügbar: www.deutschlandfunk. de/lebensmitteltechniktextilfarbstoffe-in-wurst-aufspueren.676.de.html? dram: ar-ticle_id=463715 (letzter Zugriff am 17.12.2020)

7. Januschewski, E., Bischof, G., Nguyen Thanh, B., Bergmann, P., Jerz, G., Winterhalter, P., Heinz, V. & Juadjur, A.: Nachweis und Identifizierung von Reaktivfarbstoffen in färbenden Lebensmitteln. Lebensmittelchem. 73 (S1), S107 (2019).

8. Nguyen Thanh, B., Mahendra, W., Januschewski, E., Juadjur, A. & Winterhalter, P.: Qualitativer Nachweis von Reaktivfarbstoffen in Fruchtsaftkonzentraten und Fleischwaren. Lebensmittelchem. 73 (S1), S075 (2019).

9. Nguyen Thanh, B., Schntiker, F., Jerz, G. & Winterhalter, P.: Isolierung und Charakterisierung von Monascus-Pigmenten mittels High-Performance Countercurrent Chromatography und Offline ESI-MS/MS-Analyse. Lebensmittelchem. 73 (2), 38 (2019).

10. Juadjur, A.: Nachweis unerlaubter Färbungen mit Reaktivfarbstoffen. Jahresb. DIL 17/18, 102-103 (2018).

Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei der Forschungsstelle abzurufen.

Weiteres Informationsmaterial:

DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V.

Prof.-von-Klitzing-Str. 7, 49610 Quakenbrück
Tel.: +49 5431 183-0
Fax: +49 5431 183-114
E-Mail: info@dil-ev.de

Technische Universität Braunschweig

Institut für Lebensmittelchemie
Schleinitzstr. 20, 38106 Braunschweig
Tel.: +49 531 391-7202
Fax: +49 531 391-7230
E-Mail: p.winterhalter@tu-bs.de

Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI)

Godesberger Allee 125, 53175 Bonn
Tel.: +49 228 3079699-0
Fax: +49 228 3079699-9
E-Mail: fei@fei-bonn.de

Das IGF-Vorhaben AiF 19637 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Godesberger Allee 125, 53175 Bonn, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.