Zielgerichtete Zerkleinerung von Zuckerpartikeln zur Herstellung von Zartbitter-Schokoladenmasse mit angepassten Fließeigenschaften

AiF 19745 N

Koordinierung:

Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Bonn

Forschungsstelle(n):
Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. (DIL), Quakenbrück
Dr. Volker Heinz/Dr. Ute Bindrich/Dr. Dana Middendorf

Technische Universität München
School of Life Sciences
Forschungsdepartment Life Science Engineering
Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnik
Prof. Dr. Heiko Briesen/M. Sc. Ali Khajehesamedini

Industriegruppe(n):
Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI), Bonn VDMA-Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen e. V., Frankfurt

Projektkoordinator:
Konstantinos Paggios Bühler AG, Uzwill

Laufzeit:
2017 - 2020

Zuwendungssumme:
€ 416.020,--
(Förderung durch BMWi via AiF/FEI)

Ausgangssituation:

Die Zerkleinerung der Feststoffe, insbesondere von Zucker, stellt zusammen mit dem nachfolgenden Conchieren den qualitätsbestimmenden Schritt im Rahmen der Herstellung von Schokoladenmasse dar. Die Zerkleinerung selbst erfolgt in den meisten Fällen mittels Walzwerken oder Rührwerkskugelmühlen. Durch die dabei auftretenden lokal sehr hohen mechanischen Energieeinträge werden neben der Reduzierung der Partikelgrößen frische Bruchflächen mit veränderten Oberflächeneigenschaften erzeugt, die größtenteils auf amorphe Strukturen zurückzuführen sind. Amorphe Strukturen wirken sich auf den Herstellungsprozess von Schokoladenmasse in unterschiedlicher Weise aus. Einerseits ist eine erhöhte Hygroskopizität zu verzeichnen, was bei Zufuhr von Feuchtigkeit aus anderen Rohstoffen zur Ausbildung sehr fester Agglomerate führt, andererseits ist amorphe Saccharose weniger polar als in Kristallform. Das führt zu einer geringeren Triebkraft der Entmischung in flüssiger Kakaobutter und zu intensiveren Wechselwirkungen mit Aromastoffen. Es ist bekannt, dass verschiedene Zerkleinerungsverfahren trotz vergleichbarer Partikelgrößenverteilungen (PGV) häufig Schokoladenmassen mit unterschiedlichem makroskopischem Verhalten ergeben. Eigene Untersuchungen der Forschungsstellen haben gezeigt, dass dabei lokale Oberflächenveränderungen der zerkleinerten Feststoffe eine nicht unerhebliche Rolle spielen.

Das bisherige Wissen war vor allem empirisch entstanden, ohne dass die Aspekte Zerkleinerung, lokale Veränderung der Feststoffoberflächen, lokale Veränderung der Wechselwirkungen von Partikel und Umgebung und makroskopisches Verhalten der Schokoladenmasse systematisch untersucht worden sind. Über die meisten dieser Zusammenhänge existierten bisher lediglich Annahmen, die nicht überprüfbar waren. Dementsprechend wurden die Zerkleinerungsprozesse anhand von Erfahrungswerten durchgeführt.

Im Rahmen des IGF-Projektes wurden diese Zusammenhänge nun erstmals im Detail untersucht. Die hochsystematische Vorgehensweise beruhte dabei auf einem kombinierten Ansatz aus Experiment einschließlich Analytik und Modellierung.

Forschungsergebnis:

Im Rahmen des Projektes wurde die Zerkleinerung von Zucker in einer Matrix aus flüssiger Kakaobutter mittels Kugelmühle (Batch und kontinuierlich) und Fünfwalzwerk ausführlich und die Zerkleinerung von milchfreier Schokoladenmasse exemplarisch mittels Batch-Kugelmühle untersucht.

Partikelgrößenverteilung (PGV) und Partikeloberflächeneigenschaften sowie resultierende Fließeigenschaften von Suspensionen mit standardisiertem Feststoff-Fluid-Verhältnis wurden messtechnisch charakterisiert. Hinsichtlich der PGV ist zu beachten, dass die mittels verschiedener Verfahren zerkleinerten Partikel grundsätzlich in einem agglomerierten Zustand vorliegen. Diese Agglomerate werden bei der Messung der PGV als Einzelpartikel registriert. Dieser Zustand ist relevant für resultierende Eigenschaften der Suspensionen (z.B. Fließverhalten, Fettimmobilisierung), nicht aber zur Bewertung des Zerkleinerungseffekts. Hierfür muss die Suspension weitgehend agglomeratfrei vorliegen. Um das zu erreichen, wurde die Probenvorbereitung vor der Messung der PGV optimiert. Die kleinsten gemessenen Partikel haben einen Durchmesser von 0,48 μm. Betrachtet man jedoch die an den Zuckerpartikeln anhaftenden kleinen Partikel (REM-Untersuchung) ist augenscheinlich, dass in der Realität noch kleinere Partikel existieren. Diese sind aber offensichtlich so fest mit der Oberfläche größerer Partikel verbunden, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit funktionell nicht in Erscheinung treten.

Die Zerkleinerung in der Kugelmühle basiert auf Impulseinwirkung. Es wird bereits nach kurzen Mahlzeiten ein signifikanter Anteil an kleinen Partikeln gebildet, was die Bimodalität der Verteilung erklärt. Diese Bimodalität bleibt auch nach sehr langen Zerkleinerungszeiten erhalten. Es entsteht ein großer Anteil frischer Bruchflächen, die sich aufgrund einer vergleichbaren Polarität zu Agglomeraten zusammenfügen. Um mit der kontinuierlichen Kugelmühle eine differenzierte Zerkleinerung zu erreichen, wurde nach Zielfeinheit (maximale Partikeldurchmesser) vermahlen. Prinzipiell treten aber die gleichen Effekte wie bei der Batch-Kugelmühle auf. Es wird von Beginn an ein hoher Anteil sehr kleiner Partikel erzeugt.

Die Walzenzerkleinerung beruht auf der Einwirkung von Duck und Scherung. Die Partikelgröße wird zwischen den Walzenpaaren kontinuierlich vermindert. Infolge der rheologischen Eigenschaften von Saccharose kommt es neben Bruchereignissen auch zur Deformation der Partikel. Aufgrund hoher Reibungskräfte steigt die Temperatur über den Schmelzpunkt von Saccharose. Dadurch bilden sich an den Oberflächen partiell Bereiche erstarrter Schmelze. Aufgrund der Zerkleinerungsbedingungen kommt es zu einer starken Agglomeration der Partikel.

Die Triebkraft der reversiblen Agglomeration sind die Unterschiede der Oberflächenenergie von flüssiger Kakaobutter und den Partikeloberflächen. Diese Stoffgrößen wurden experimentell bestimmt. Es wurde gefunden, dass die Polaritätsunterschiede zwischen kristallinen Oberflächen von Saccharose und flüssiger Kakaobutter größer sind, als die Unterschiede zwischen amorphen Zuckeroberflächen und Kakaobutter. Allerdings müssen auch die amorphen Zustände an den Zuckerpartikeloberflächen differenziert betrachtet werden. Amorphe Oberflächen mit dichter Struktur (erstarre Schmelze) haben andere Eigenschaften als amorphe Oberflächen an Bruchflächen, die z.B. durch Impulseinwirkung zustande gekommen sind.

Die Charakterisierung des amorphen Zustands erfolgte global durch die Quantifizierung der Sorptionseigenschaften und beispielhaft durch die Untersuchung der Partikeloberflächen mittels Raster-Kraft-Mikroskopie (AFM). Es wurde gefunden, dass sich die Sorptionseigenschaften von an trockener Luft zerkleinerter Saccharose sehr stark von den in flüssiger Kakaobutter zerkleinertem Zucker unterscheiden. Die Vorgänge laufen ohne vorherigen Kontakt mit Kakaobutter erheblich schneller ab. Es ist davon auszugehen, dass dichte amorphe Strukturen (erstarrte Schmelze) langsamer Wasser aufnehmen, als amorphe Strukturen, die durch Impulseinwirkung entstanden sind. Die Wechselwirkungen mit Wasser erfolgen bei Proben aus der Kugelmühlenvermahlung durchschnittlich intensiver als bei dem walzenvermahlenen Zucker. Es ist allerdings kein stetiger Verlauf der Veränderung des amorphen Zustands in Abhängigkeit vom Fortschritt der Zerkleinerung erkennbar. Es war vermutet worden, dass sich amorphe Bereiche proportional mit der Schaffung neuer Oberflächen (d.h. größeren spezifischen Partikeloberflächen) vergrößern. Hier spielen aber offensichtlich auch andere Vorgänge eine Rolle, die bisher noch nicht identifiziert sind.

Weiterhin ist zu beachten, dass es sich nicht um eine gleichmäßige Schicht amorpher Strukturen, sondern um rechnerisch ermittelte Durchschnittswerte handelt. Die Daten lassen auch keine Aussagen über die Dicke der amorphen Bereiche zu. Die hier gefundenen Phänomene sind nicht stochastisch, es ist jedoch noch kein Mechanismus bekannt, der eine schlüssige Erklärung liefert. Hier sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich.

Sowohl bei den AFM-Ergebnissen zur Adhäsivitätsmessung als auch bei denen der LTA sind deutliche Unterschiede im Oberflächenzustand der Partikel nach Anwendung der unterschiedlichen Zerkleinerungsverfahren zu erkennen.

Insgesamt ist zu schlussfolgern, dass auf allen ausgewählten Probenoberflächen Areale der Strukturzustände amorph und kristallin sowie Mischzustände identifiziert wurden. Dabei gibt es gute Übereinstimmungen von topografischen Adhäsions- und LTA-Ergebnissen hinsichtlich genereller Aussagen. Die „Mischzustände“ sind noch nicht sicher definiert, spielen wahrscheinlich aber bei der Gesamtbewertung der Oberflächeneigenschaften von zerkleinerten Zuckerpartikeln eine wesentliche Rolle. Hier sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen mit einer breiteren Datenbasis erforderlich.

Technologisches Ziel der Verarbeitungsprozesse der Schokoladenmassenherstellung ist es, gute Verarbeitungseigenschaften bei minimalem Kakaobuttereinsatz und sensorisch nicht wahrnehmbaren Partikeln zu erreichen. Die Untersuchung der rheologischen Eigenschaften hat eine eindeutige Abhängigkeit von Fließgrenze und Gleichgewichtsviskosität von der spezifischen Partikeloberfläche gezeigt. Diese Eigenschaften beruhen auch auf der Immobilisierung von Kakaobutter, wobei gleichfalls eine Abhängigkeit von der spezifischen Partikeloberfläche festgestellt wurde. Hohe spezifische Partikeloberflächen beruhen auf einem großen Anteil an kleinen Partikeln. Für die praktische Umsetzung ist es folglich wichtig, die Partikel < 30 μm zu zerkleinern und dabei einen großen Feinanteil von Partikeln zu vermeiden. Die Zerkleinerungsverfahren hinsichtlich dieser Zielgrößen zu optimieren, muss noch fortgeführt werden.

Unabhängig davon, ob Kristall- oder Puderzucker eingesetzt wurden, konnte nach 20 min der Kugelmühlenzerkleinerung eine Feinheit erreicht werden, die der in Schokolade entspricht. Die Zerkleinerung der Kristallzuckersuspension startete aufgrund der größeren Ausgangspartikel naturgemäß von einem höheren Level aus, wodurch die Verteilungen in den ersten Minuten der Zerkleinerung stark von denen der Puderzuckersuspension abwichen. Später waren die Verteilungen der Partikelgrößen von Kristall- und Puderzucker dann gut miteinander vergleichbar. Auch bei der Walzenzerkleinerung war eine für Schokolade favorisierte Partikelfeinheit die Zieleinstellung, wobei die Kristallzuckersuspension in einem Vorwalzwerk vorzerkleinert wurde. Sowohl die Ausgangs- als auch die Endzustände der Puder- und Kristallzuckerzerkleinerung waren daher recht gut miteinander vergleichbar. Weiterhin zeigte sich, dass durch eine höhere Scherung erwartungsgemäß geringere Partikelgrößen bzw. höhere Anteile an Partikeln < 5 μm erreicht werden konnten. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass die Anwesenheit von Kakaopartikeln während der Zerkleinerung keinen Einfluss auf die Größenverteilung der Zuckerpartikel hat. Die Methoden zur Charakterisierung der amorphen Eigenschaften sowie zur Bestimmung der Partikel-Formfaktoren sind etabliert.

Zwei Populationsbilanzmodelle (PBM) für die Prozesse Kugelmahlen und Walzenmahlen wurden erfolgreich implementiert. Es wurde eine zufriedenstellende Übereinstimmung zwischen den experimentellen und den berechneten Werten erreicht. Es wurde gezeigt, dass die PBMs zur Bestimmung optimaler Auslegungs-/Betriebsbedingungen verwendet werden können/könnten. Darüber hinaus geben die Ergebnisse der MD-Simulation neue Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Partikeln und Medium. Sie konnten als Input für rheologische Berechnungen verwendet werden und können mit rheologischen Messungen verglichen werden. Auf dieser Basis können Vorhersagen hinsichtlich einer Anpassung des Zerkleinerungsprozesses getroffen werden. Die Ergebnisse der Simulation lieferten detaillierte neue Einblicke in die Immobilisierung von flüssiger Kakaobutter auf kristallinen und amorphen Zuckeroberflächen und die Partikelinteraktion.

Wirtschaftliche Bedeutung:

Die Ergebnisse sind insbesondere für die Hersteller von Schokoladenmassen und fettbasierten Überzugsmassen sowie von Nuss-Nougat-Cremes wirtschaftlich relevant. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 1,1 Mio. t an Schokoladenwaren mit einem Wert von fast 6,9 Mrd. € hergestellt. Fast 80 % der Süßwarenhersteller (200 Betriebe mit ca. 50.000 Beschäftigten) sind Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern.

Eine prozessbestimmende Größe für die Weiterverarbeitung (Ausformen oder Überziehen) der Schokoladenmasse ist das Fließverhalten. Mit den Erkenntnissen aus dem Projekt wird es möglich sein, die Zerkleinerung so anzupassen, dass eine geringe Fließgrenze und Viskosität bei gegebenem Fettgehalt einstellbar sind. Insbesondere kann der Zusatz der teuren Kakaobutter für eine nachträgliche Reduzierung dieser Parameter vermieden wer-den. Eine sehr grobe Schätzung soll nachfolgend das Potenzial des Forschungsansatzes zeigen. Wenn nur ein Zwanzigstel der Schokoladenmassen zusätzlich mit jeweils 1 % Kakaobutter aufgefettet werden müssen (ca. 0,02 €/kg), dann ergibt das pro Jahr zusätzliche Kosten von ca. 460.000 € nur für die ungefüllten Produkte. Hinzu kommt die Schokolade für die gefüllten Produkte, die in dieser Schätzung fehlt und in einer vergleichbaren Größenordnung liegt.

Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind die Ergebnisse von hoher Relevanz, da bei diesen das empirische Know-how zur Steuerung der Prozesse nicht im gleichen Maße vorhanden ist wie bei Großunternehmen. Neben den Anwendern der Zerkleinerungstechnik ist das Projekt auch für Hersteller von Anlagen zur Zerkleinerung relevant. Mit den neuen Informationen und den entwickelten Modellen sind diese besser als bisher in der Lage, sowohl ihre Maschinen an die jeweiligen Aufgabenstellungen anzupassen, als auch ihre Kunden fundierter zu beraten.

Publikationen (Auswahl):

1. FEI-Schlussbericht 2020.

2. Middendorf, D.: Kleine Kristalle mit großer Wirkung. Lebensmitteltechn. 12, 38-39 (2018).

3. Middendorf, D., Bindrich, U., Mischnick, P., Franke, K., & Heinz, V.: AFM-based local thermal analysis is a suitable tool to characterize the impact of different grinding techniques on sucrose surface properties. J. Engin. 235, 50–58 (2018).

Weiteres Informationsmaterial:

DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V.
Prof.-von-Klitzing-Straße 7
49610 Quakenbrück
Tel.: +49 5431 183-232
Fax: +49 5431 183-200
E-Mail: v.heinz@dil-ev.de

Technische Universität München
School of Life Sciences
Forschungsdepartment Life Science Engineering
Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnik
Gregor-Mendel-Str. 4
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E-Mail: briesen@tum.de/ ali.khajehesamedini@tum.de

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Fax: +49 228 3079699-9
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Der Schlussbericht ist für die interessierte

Öffentlichkeit bei den Forschungsstellen abzurufen.