Ausgangssituation
In den letzten Jahren haben sich im Fleischerhandwerk bzw. in der Fleischindustrie bezüglich der Trockenreifung einige Fragen aufgetan. Fragen zu den Eigenschaften des trockengereiften Fleisches, zur Lebensmittelsicherheit und sensorischen Qualität sowie zu den idealen Prozessbedingungen, zur Herstellung eines hochwertigen und vor allem sicheren Produktes.
Da es keine Beschreibung des Prozesses in Form eines Leitsatzes oder einer offiziellen Definition der optimalen/entscheidenden Parameter gibt, wird die Trockenreifung bei jedem Hersteller nach dessen empirischen Erfahrungen angewandt. Hinzukommt, dass durch die Herstellung von trockengereiftem Fleisch eine Vielzahl an Branchen belangt wird. Angefangen bei der landwirtschaftlichen Erzeugung, über Schlachthöfe bis hin zu Zerlege- und Vermarktungsbetriebe ist die Fleischwarenindustrie, vor allem aber kleine und mittelständische Unternehmen von dem Forschungsprojekt betroffen. Des Weiteren erstreckt sich das Projekt über den Einzelhandel, Caterer und die Gastronomie genauso wie über Maschinen- und Anlagenbauer. Letzte können auf Grundlage der Ergebnisse bspw. optimierte Reifegeräte entwickeln.
Aus diesem Grund wurden in dem interdisziplinären Forschungsprojekt "OptiDryBeef" die notwendigen Reifeparameter für die Herstellung von trockengereiftem Fleisch ermittelt.
Forschungsergebnis
Es wurden die Prozessbedingungen, das sensorische Profil, der Einfluss von Rassen und Tierart, die Verkaufsverpackungen, die Verarbeitung der Abschnitte (Trockenrand), der mikrobiologischer Status (Verderbnisserreger, Pathogene und Schimmelpilze) sowie der hygienische Zustand der Reifekammern nach der Trockenreifung untersucht. Dabei sind bei der deutschen und den belgischen Forschungsstellen Teile des Projektes komplementär sowie spezifische Untersuchungen entsprechend der Expertise durchgeführt worden.
Zu Beginn des Projektes wurde ein gemeinsames, sensorisches Testsystem für trockengereiftes Rindfleisch durch Durchführung verschiedener Schulungen entwickelt. Um einen Überblick über den Stand der Dinge zu erhalten, wurden in beiden Ländern Hersteller und Distributoren zu den angewandten Parametern und Rohstoffen befragt.
Im zweiten Schritt, dem Hauptteil des Projektes, ist der Einfluss unterschiedlichster Prozessvariablen (Reifebedingungen, Tierrassen, Fettabdeckungen, mit und ohne Umhüllung etc.) auf die Eigenschaften des Fleisches untersucht worden. Es wurde festgestellt, dass je höher die Fettabdeckung, desto geringer der Gewichtsverlust und dass die Reifetemperatur (2 vs. 6 °C) im Vergleich zur relativen Luftfeuchte (70 vs. 90 %) nur einen minimalen Einfluss auf die Untersuchungsergebnisse hat. Je niedriger die Feuchte eingestellt wird, desto höher ist der Gewichtsverlust. Allerdings ist dafür die Fleischoberfläche weniger verkeimt. Eine Reduzierung der Oberflächenkeime kann außerdem durch Auftragen einer dünnen Schicht Rindertalg erreicht werden. Das Auftragen von Hydrokolloiden als Schutz vor starker mikrobiologischer Verkeimung zeigte sich als ungeeignet, während keimhemmende Substanzen ohne Barrierefunktion wie bspw. Essig vielversprechend erscheinen. Jedoch muss in diesem Fall die rechtliche Lage geklärt und der Versuchsumfang ausgebaut werden.
Durch Challengetests konnte gezeigt werden, dass über die Dauer der Trockenreifung oder anschließende Lagerung keine Vermehrung von Pathogenen (E. coli, Salmonella, L. monocytogenes) oder ein Auskeimen von Sporen (M. racemosus, P. commune) entsteht. Allerdings hängt die Intensität der Reduzierung der beschriebenen Mikroorganismen von den Reifebedingungen ab.
Die Lagerung nach der Trockenreifung wird im Vakuum oder in modifizierter Atmosphäre für weniger als acht Tage empfohlen. Zur „Konservierung“ des optimalen Reifestatus ist allerdings das Schockgefrieren die beste Option.
Des Weiteren wurde Schweinefleisch (Berkshire x dt. Landrasse) bei identischen Bedingungen in den Prozess der Trockenreifung etabliert. Die erzielten Ergebnisse sind vergleichbar mit denen des Rindfleisches.
Ein weiterer innovativer Ansatz lag in der Verwertung der üblicherweise verworfenen trockenen Abschnitte. Diese wurden mit hohem Druck behandelt, sodass die Mikroorganismen letal geschädigt wurden, wodurch die detektieren Keimzahlen ähnlich zu frischem Fleisch sind. Die behandelten Abschnitte wurden in verschiedene Produkte (Salami, Burger Patties) eingearbeitet, wodurch u. a. ein intensiveres Aroma entstanden ist. Durch diesen Ansatz ist es für kleine, mittelständische aber auch große Unternehmen möglich den Verlust durch die Trockenreifung sowie ggf. die Reifezeit der Rohwurst zu reduzieren sowie wirtschaftlicher und nachhaltiger zu arbeiten.
Abschließend kann anhand der Ergebnisse eine Definition für den Prozess und die Reifeparameter der Trockenreifung formuliert werden, die an die deutsche Lebensmittelbuchkommission zur Erstellung eines Leitsatzes weitergeleitet werden könnten.
Wirtschaftliche Bedeutung
Im Jahr 2017 war die Fleischindustrie mit 24,3 % und einem Umsatzplus von rund 5 % zum Vorjahr der umsatzstärkste Bereich (ca. 20 Mio. €) der Lebensmittelindustrie sowie mit 19 % der zweitgrößte Arbeitgeber: 8,5 % mehr zum Vorjahr (ca. 67.000 Beschäftigte). Die Bedeutung der Forschung im Rindfleischbereich spiegelt sich u. a. durch den Anstieg des pro-Kopf-Verzehrs wieder: 2017 wurden 9,7 kg Rindfleisch verzehrt, während der Verzehr in 2014 noch bei 8,9 kg lag [1]. Diese Zahlen unterstreichen die merkbare Veränderung in dem Verbraucherverhalten hin zu einem bewussteren Einkaufen von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Hinzukommt, dass der Konsum sich in Richtung wertgesteigerter Fleischwaren, wie Dry Aged Beef, entwickelt. Durch den Prozess der Trockenreifung kann Rindfleisch eine deutliche Wertsteigerung erfahren. Der Preis für frisches Rindfleisch liegt in der Regel zwischen 15 – 20 €/kg, während der Preis für trockengereiftes Fleisch je nach Art und wie das Produkt angeboten wird zwischen 25 – 65 €/kg liegt. Die Auswahl der preisbestimmenden Parameter, wie Reifedauer, Rasse und Teilstück, schwanken je nach Produzenten und Konsumentensegment sehr.
Innerhalb des Projektes wird eine umfassende Bewertung des Prozesses durchgeführt, um der Fleischindustrie die Produktion eines hochwertigen und sicheren Produktes zu ermöglichen. Diese erarbeiteten Erkenntnisse kommen nicht nur Unternehmen der Fleischwarenindustrie, wie Schlachthöfen, Händlern, Distributoren, sondern auch kleinen und mittelständischen Metzgereien, aber auch Maschinenbauern, die sich mit der Entwicklung und dem Bau von Reifegeräten bzw. Anlagen beschäftigen, sowie Caterern und Restaurants zugute.
Es ist zu erwarten, dass die Forschungsergebnisse direkt nach Ende des Vorhabens von den Unternehmen umgesetzt werden können. Für die Umsetzungen der Erkenntnisse sind i. d. R. keine Umbauten oder Umstrukturierungen erforderlich. Vielmehr ist das Eingangsmaterial der Reifung und die Hygiene für den Ablauf entscheidend. Da beispielsweise eine höhere Fettabdeckung zu weniger Gewichtsverlust führt und gleichzeitig durch die Quantität an intramuskulärem Fett zarter und aromatischer erscheint.
Durch die umfangreichen Aromaprofil und sensorischen Analysen in Bezug auf die Reifeparameter und den mikrobiologischen Status, ist eine optimierte Qualitätssicherung oder sogar Produktentwicklung möglich. Zudem stellen diese Untersuchung eine gute Basis für die Verwertung der üblicherweise verworfenen trockenen Abschnitte dar. Dadurch erhalten vor allem kleine und mittelständische aber auch Unternehmen der Fleischindustrie die Möglichkeiten den totalen Gewichtsverlust zu verringern und so die Marge zu vergrößern oder den Verkaufspreis zu reduzieren.
Durch die erzielten Ergebnisse aus „OptiDryBeef“ profitieren demnach verschiedene Branchen – direkt und indirekt.
Publikationen (Auswahl)
1. FEI-Schlussbericht 2019.
2. Terjung, N.: OptiDryBeef – Sichere und qualitative Trockenreifung von Rindfleisch. Jahresbericht DIL 2017/2018, 94-95 (2018).
3. Terjung, N.: OptiDryBeef – Sichere und qualitative Trockenreifung von Rindfleisch. Jahresbericht DIL 2016/2017, 96-97 (2017).
4. Grohn, J.: Sicher und effektiv zu mehr Aroma. Lebensmitteltechnik, Ausgabe September (2017).
Weiteres Informationsmaterial
Forschungsstelle (Übernahme aus FEI-Kurzbericht)
Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) Godesberger Allee 125, 53175 Bonn Tel.: +49 228 3079699-0 Fax: +49 228 3079699-9 E-Mail: fei@fei-bonn.de
Koordinierung: Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI), Bonn
Forschungsstelle(n): DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V., Quakenbrück, Dr.-Ing. Volker Heinz
Industriegruppe(n): Verband der Fleischwirtschaft e.V., Bonn
Projektkoordinator: Christian Sostmann, Sostmann Fleischwaren GmbH und Co. KG, Bramsche
Laufzeit: 2016 – 2018
Zuwendungssumme: €498.567,60 (Gesamt), 249.610,00 (National, Förderung durch BMWi via AIF/FEI)
Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei der Forschungsstelle abzurufen.
Förderhinweis