Erhöhung der Durchsetzungsfähigkeit von Fleischstarterorganismen durch Optimierung der Verteilung in der Fleischmatrix

AiF 19690 N

Koordinierung:

Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI), Bonn

Forschungsstelle(n):

Technische Universität München
School of Life Sciences
Forschungsdepartment Molecular Life Sciences
Lehrstuhl für Technische Mikrobiologie Prof. Dr. Rudi F. Vogel

Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. (DIL), Quakenbrück
Dr. Volker Heinz/PD Dr. Christian Hertel

Industriegruppe(n):

Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. (BVDF), Bonn

Projektkoordinator:

Dr. Wolfgang Kühnl,
H. Kemper GmbH & Co. KG, Nortrup

Laufzeit:

2017 - 2021

Zuwendungssumme:

€ 498.950,--
(Förderung durch BMWi via AiF/FEI)

Ausgangssituation:

Für die Herstellung von fermentierten Rohwürsten, wie z.B. Salami, Kantwurst, Pfefferbeißer etc., werden seit Jahrzehnten Starterkulturen eingesetzt, um den Fermentationsprozess hinsichtlich Produktsicherheit und Sensorik zu kontrollieren. Ein wichtiges Kriterium zur Auswahl der Starterorganismen ist dabei ihre Durchsetzungsfähigkeit. Für die Durchsetzungsfähigkeit der Starterorganismen sind einerseits die physiologischen bzw. bio-chemischen Eigenschaften der Starterorganismen zu betrachten. Andererseits kann die Ausprägung einer Kolonisierungsresistenz und damit die Unterdrückung unerwünschter Kontaminanten von der Verteilung der Bakterienzellen in der Rohwurstmatrix abhängig sein.

Ziel des Forschungsvorhabens war die Erarbeitung der anwendungsbezogenen Grundlagen für die wissensbasierte Auswahl von Starterstämmen und der technologischen Parameter in Hinblick auf eine optimierte, möglichst feine und homogene Verteilung von Bakterienzellen in der Rohwurstmatrix. Die zentrale Arbeitshypothese war dabei, dass eine Verteilung von Bakterienzellen der Starterkulturen in alle Kavitäten der Rohwurstmatrix die Ausprägung einer Kolonisierungsresistenz gegenüber autochthonen Stämmen ermöglicht und damit deren Durchsetzungsfähigkeit entscheidend verbessert. Die Verteilung der Zellen ist sowohl von technologischen Parametern in der Starterpräparation und der Mechanik des Herstellungsprozesses der Rohwurstmatrix, als auch von mikrobiologisch/biochemischen Parametern der Zellen der Starterstämme, insbesondere an deren Oberfläche, abhängig.

Forschungsergebnis:

Im Rahmen des Vorhabens wurde der Einfluss der intrinsischen Eigenschaften unterschiedlicher Stämme von Latilactobacillus sakei und L. curvatus sowie Staphylococcus xylosus und S. carnosus (von Forschungsstelle 1) sowie der Einfluss der Prozessparameter bei der Rohwurstherstellung und der Einbringung von Bakterien in die Rohwurstmatrix (von Forschungsstelle 2) untersucht. Seitens der Bakterienstämme erwiesen sich die Fähigkeit zur Expression einer Gylkosyltransferase, die mit der Bildung von Glukan aus Saccharose einhergeht (Laktobazillen), bzw. die Fähigkeit zur Biofilmbildung (S. xylosus) als bedeutsame Faktoren für deren Durchsetzungsfähigkeit in der Rohwurstfermentation über die damit verbundene Ausprägung einer Kolonisierungsresistenz. Einen positiven Effekt auf die Verteilung von Bakterien in der Rohwurstmatrix hatte die Verringerung der Partikelgröße der Rohwurstmasse. Dies konnte durch eine längere Kutterzeit gezeigt werden. Innerhalb der Rezeptur hatten Fettgehalt und die Beimischung von Rindfleisch keinen signifikanten Effekt. In der Kombination mit dem Paddelmischer konnte eine verbesserte Verteilung der Kulturen dadurch erreicht werden, dass der „Fettanteil“ (bestehend aus fettreichen Kutterbäuchen) länger und zusammen mit den Kulturen gekuttert wurde. Beim Paddelmischer hatte eine längere Mischzeit keinen signifikanten Effekt auf die Verteilung. Lediglich die Drehrichtung zeigte einen Effekt, wobei die Mischeinstellung bessere Ergebnisse lieferte als die Kneteinstellung. Der Nachweis der unterschiedlichen Verteilbarkeit von Bakterien in der Rohwurstmatrix konnte nur mit gentechnisch veränderten (fluoreszierenden) Bakterien unter Laborbedingungen geführt werden. Gleichwohl sind die Ergebnisse zu den Bakterieneigenschaften und zur Verteilung von Kulturen aus den Rohwurstmodellen jederzeit auch von KMU unmittelbar für die Organismenwahl, Gestaltung von Rezepturen und des Herstellungsprozesses sowie darauf abgestimmte Mischregime anwendbar, ohne dass es wesentlicher Investitionen bedarf.

Wirtschaftliche Bedeutung:

Die Produktion von Wurstwaren ist ein wichtiger und zunehmend wachsender Produktionszweig der deutschen Fleischwarenindustrie. Die Mehrzahl der Unternehmen dieses Wirtschaftszweiges sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU); von ca. 700 Unternehmen sind ca. 400 KMU.

Die Auswahl der technologischen Prozesse und Parameter für die Herstellung einer Rohwurstmatrix und den Einsatz von Starterkulturen richtet sich in erster Linie nach der Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Produktionslinien, Anlagen, Zeitmanagement und Produktart. Allerdings ist die Bedeutung einer effektiven Einmischung der Starterkultur in die Fleischmatrix für die KMU der Fleischwarenindustrie allgemein bekannt. Eine unzureichende Durchmischung hat erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit der Starterkultur, sich durchzusetzen, und ihre Schutzwirkung gegen pathogene Bakterien auszuüben sowie auf das Wachstum der Verderbsmikrobiota. Im schlimmsten Fall hat dies wiederum schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der Konsumenten sowie für das Image der Hersteller. Die Verwertung der Ergebnisse dieses Projekts ermöglicht die Einführung optimierter Verarbeitungspraktiken in Hinblick auf eine effektive Verteilung der Starterkultur durch Anpassung der aktuellen Verarbeitungsmethoden. Im Rahmen des Vorhabens wurden Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für die Praxis erarbeitet. Deren Umsetzung wird zu minimierten Risiken für Fehlfermentationen oder für die Ausbreitung von autochthonen Stämmen mit hohem Risikopotenzial führen.

Die Ergebnisse des Vorhabens adressieren gleichermaßen Hersteller von Fleischwaren wie von Starterkulturen und unterstützt die Produzenten in dem Ziel, die Zahl pathogener Bakterien sowie apathogener Milchsäurebakterien und Staphylokokken mit unbekanntem Risikopotenzial in rohen fermentierten Fleischwaren zu minimieren.

Publikationen (Auswahl):

1. FEI-Schlussbericht 2021.

2. Janßen, D., Dworschak, L., Ludwig, C., Ehrmann M. A., & Vogel, R. F.: Interspecies assertiveness of Lactobacillus curvatus and Lactobacillus sakei in sausage fermentations. Intern. J. Food Microbiol. 331, 1086-89. (2020).

3. Schiffer, C., Hilgarth, M., Ehrmann, M., & Vo-gel, R. F.: Bap and Cell Surface Hydrophobicity Are Important Factors in Staphylococcus xylosus Biofilm Formation. Front. Microbiol. doi: 10.3389/fmicb.2019.01387 (2019).

Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei den Forschungsstellen abzurufen.

Weiteres Informationsmaterial:

Technische Universität München
School of Life Sciences
Forschungsdepartment Molecular Life Sciences
Lehrstuhl für Technische Mikrobiologie
Gregor-Mendel-Straße 4, 85354 Freising
Tel.: +49 8161 71-3663
Fax: +49 8161 71-3327
E-Mail: rudi.vogel@wzw.tum.de

Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. (DIL)
Prof.-von-Klitzing-Straße 7, 49610 Quakenbrück
Tel.: +49 5431 183-142
Fax: +49 5431 183-114
E-Mail: c.hertel@dil-ev.de

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