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Texturierungsmechanismen bei der Nassextrusion

Ausgangssituation:

Die steigende Nachfrage nach Nahrungsproteinen infolge der wachsenden Weltbevölkerung und veränderter Ernährungsgewohnheiten erfordert neue lebensmitteltechnologische Konzepte für eine Deckung des nationalen und internationalen Bedarfs. Hierfür stellt der Einsatz pflanzlicher Proteine aus ökologischer und ernährungsphysiologischer Sicht eine sinnvolle Alternative zu tierischem Protein dar. Die Herstellung von Texturaten auf Basis einheimischer Hülsenfrüchte kann einen Beitrag zur Erhöhung des Anteils an pflanzlichem Protein in der Ernährung leisten und stellt eine ökonomisch und ökologisch angemessene Alternative zu sojabasierten Produkten dar.

Zur Erzeugung pflanzlicher Fleischanaloge bietet besonders die High-Moisture-Extrusion erhebliches Potential, das jedoch bisher aufgrund der Sensibilität des Prozesses gegenüber veränderlichen Rohstoffqualitäten und Prozessparametern nicht voll ausgeschöpft werden kann. Die Mechanismen der Prozess-Produkt-Wechselwirkungen sind weitgehend unbekannt, für eine gezielte Gestaltung und reproduzierbare Produktion fleischanaloger Produkte fehlen Kenntnisse zu den relevanten Wechselwirkungen.

Ziel des Forschungsvorhabens war die Untersuchung der Korrelationen zwischen Rohstoffeigenschaften, Prozessführung und Struktur der Texturate. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Belastungshistorie im Schneckenbereich des Extruders und dem Strömungsverhalten in der Kühldüse, da hier die Verfestigung und Strukturbildung des Texturates erfolgt. Das Projekt stützte sich zur Untersuchung dieser Vorgänge auf experimentelle Untersuchungen, eine inverse Modellierung und numerische Simulation. Fragestellungen zum Strömungsprofil, der Rheologie der extrudierten Masse und zur Strukturbildung standen im Vordergrund.

Forschungsergebnis:

Zur Aufklärung der Texturierungsmechanismen bei der Nassextrusion wurden die Rohstoffe, die für die Nassextrusion verwendet wurden, physikochemisch charakterisiert. Neben der Rohstoffcharakterisierung wurden auch die rheologischen Daten der Rohstoffe unter extrusionsähnlichen Bedingungen bei unterschiedlichen thermomechanischen Beanspruchungen bestimmt. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Zusammensetzungen weisen die jeweiligen Rohstoffe unterschiedliche rheologische Eigenschaften auf.

Zur Aufklärung von Produkt-Prozess-Struktur-Funktionalität-Wechselwirkungen während der Nassextrusion wurde der Einfluss der extruderspezifischen Stellgrößen auf die daraus resultierenden Prozessparameter sowie auf die proteinchemische Zusammensetzung bestimmt. Obwohl Unterschiede in den Stellgrößen zu unterschiedlichen Prozessparametern führten, konnten keine proteinchemischen Veränderungen der Protein-Protein-Wechselwirkungen aufgezeigt werden. Auch an unterschiedlichen Stellen in der Kühldüse konnten keine messbaren proteinchemischen Veränderungen aufgezeigt werden. Die Charakterisierung der proteinchemischen Veränderungen unter definierter thermo-mechanischer Beanspruchung zeigte, dass erst ab Temperaturen > 140 °C eine Änderung in den Protein-Protein-Wechselwirkungen auftrat. Diese Änderungen weisen auf eine Molekulargewichtsreduktion infolge von Degradationsreaktionen hin. Die texturanalytische Untersuchung von Proben, die an unterschiedlichen Stellen aus der Kühldüse entnommen wurden, zeigte nur sehr geringe Änderungen in der Festigkeit. Die durch Anfärben der Proteinmatrix kurz vor Kühldüseneintritt sichtbar gemachten Strömungsprofile zeigten hingegen keine Profiländerungen entlang der Düse.

Auch wurde der Einfluss der Kühldüsenkonfiguration auf die Systemparameter im Extrusionsprozess sowie auf die Systemparameter im Kühlprozess untersucht. Die Ergebnisse zeigten: kleine Querschnitte, insbesondere die Höhe der Kühldüse, erhöhten den Materialdruck und die Materialtemperatur vor der Kühldüse sowie die Fließgeschwindigkeiten in der Kühldüse; entsprechend stiegen die REYNOLDS-Zahlen. Entlang des sich ausbildenden Strömungsprofils werden Schichtenstrukturen, die sensorisch an Faserstrukturen erinnern, ausgebildet. Mit zunehmender REYNOLDS-Zahl nimmt die Ausprägung der Strömungsprofile zu, ausgeprägte Strömungsprofile unterstützen die Ausbildung solcher Strukturen in Fließrichtung. In Texturmessungen konnte eine Beziehung zwischen der REYNOLDS-Zahl und einem Kräfteverhältnis sowie dem Elastizitätsmodul als Strukturierungsindex aufgezeigt werden.

In der numerischen Simulation wurde der Einfluss verschiedener Prozessparameter auf verschiedene Rohstoffe durch strömungsmechanische Simulationen erfasst und analysiert. Obwohl das Texturat als einphasig betrachtet wurde, konnte ein Parameter (Variationskoeffizient (CV)) gefunden werden, der als Maß für die Texturierung verwendet werden kann. Dieser, in guter Übereinstimmung mit experimentellen Messungen (Schnittversuche, Zugversuche), ermöglicht es, neben Experimenten auch die Simulation zur Bewertung der Güte der Texturierung zu verwenden. Durch die mittels Druck- und Temperaturverläufen validierten Simulationen stehen lokale Informationen zu Scherraten, Viskositäten und Geschwindigkeitsverteilungen der Analyse und weiteren Optimierung zur Verfügung.

Anhand Ähnlichkeitstheorie und Dimensionsanalyse (BUCKINGHAM‘sches Π-Theorem) konnten dimensionslose Kennzahlen für den Texturierungsprozess ermittelt werden. Anhand zweier dimensionsloser Kenngrößen (REYNOLDS-Zahl und GRAETZ-Zahl) konnte ein Scale-Up zwischen drei Extrudern unterschiedlicher Größenordnung erzielt und ein Leitfaden für KMU entwickelt werden.

Wirtschaftliche Bedeutung:

Fleischanaloge Produkte stellen ein Marktsegment mit starkem Zuwachs dar (30 % p.a. bei vegetarischen Teilfertigprodukten zwischen 2008 und 2012). Viele dieser Produkte werden auf Sojabasis in Extrusionsprozessen hergestellt, jedoch gewinnt Erbsenprotein als regionales Ausgangsmaterial an Bedeutung.

Die Entwicklung neuer Produkte erfordert bislang zeit- und kostenaufwändige Trial-and-Error-Verfahren, um die Eignung eines Rohstoffes bzw. die notwendigen Prozessparameter zu identifizieren; zudem ist die Qualität der Texturate sehr variabel.

Für die Einführung und reproduzierbare Produktion hochwertiger Produkte ist es daher gerade für kleinere Unternehmen von Bedeutung, die Einflussgrößen auf den Herstellungsprozess und die Bedeutung der Rohstoffeigenschaften im Detail zu verstehen. Gleichzeitig eröffnet die Kenntnis gezielter Anforderungsprofile Herstellern von Rohstoffen (z. B. Proteinkonzentraten) die Option, maßgeschneiderte Materialien zu entwickeln, um einen entsprechend hochpreisigen Absatzmarkt zu bedienen. Die Kenntnis der Strömungs- und Verfestigungsvorgänge in der Kühldüse bietet darüber hinaus Herstellern von Extrudern und Peripheriegeräten die Möglichkeit, die thermodynamisch bedingte Limitierung des Durchsatzes von 160 kg/h bei der High-Moisture-Extrusion konstruktiv zu überwinden.

Publikationen (Auswahl):

1. FEI-Schlussbericht 2018.
2. Pietsch, V. L., Emin, M. A. und Schuchmann, H. P.: Process conditions influencing wheat gluten polymerization during high moisture extrusion of meat analog products. J. Food Eng. 198, 28-35, doi.org/10.1016/j.jfoodeng. 2016.10.027 (2017).

Der Schlussbericht ist für die interessierte Öffentlichkeit bei der Forschungsstelle abzurufen.

Weiteres Informationsmaterial:
Technische Universität Berlin
Institut für Lebensmitteltechnologie und
Lebensmittelchemie
FG Lebensmittelbiotechnologie und  -prozesstechnik
Königin-Luise-Straße 22, 14195 Berlin
Tel.: +49 30 314-71250
Fax: +49 30 832-7663
E-Mail: cornelia.rauh@tu-berlin.de

DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V.
Prof.-von-Klitzing-Straße 7, 49610 Quakenbrück
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Fax: +49 5431 183-200
E-Mail: v.heinz@dil-ev.de

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik
Teilinstitut I: Lebensmittelverfahrenstechnik
Kaiserstraße 12, 76128 Karlsruhe
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Fax: +49 721 608-942497
E-Mail: heike.karbstein@kit.edu

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